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1016 - Der Narr aus Venedig

1016 - Der Narr aus Venedig

Titel: 1016 - Der Narr aus Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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auf.
    Zum erstenmal seit langem spürte Angela Morinelli so etwas wie Erleichterung durch ihre Adern rinnen, als hätte dieses Gefühl das normale Blut abgelöst. Aber noch immer stand sie auf dem leicht schwankenden Boden, zumindest ihr kam er so vor. Sie sah die Stufen, die sich ebenfalls bewegten, als lägen sie auf einem Bett aus welligem Wasser. Des öfteren schon hatte sich Angela über das rostige Geländer geärgert. Jetzt aber war sie froh, es in der Nähe zu wissen, denn es würde ihr den Halt geben, den sie brauchte. Ohne das Geländer wäre es ihr nicht möglich gewesen, nach unten zu gehen. Dort wollte sie hin, von dort mußte sie anrufen.
    Angela konnte und wollte nicht mehr allein in diesem Haus bleiben. Sie mußte zuerst mit jemand reden, der Verständnis für ihre Lage aufbrachte. So hatte sich die Frau für die Conollys entschieden, denn die beiden gehörten zu den Menschen, die Verständnis für andere aufbrachten. Das war ihr nach dem letzten Gespräch klargeworden. Sie stieg vorsichtig die Stufen hinab, wobei sie mit der rechten Hand das Geländer umklammerte wie einen Rettungsanker.
    Angela Morinelli hatte die Hälfte der Treppe hinter sich gebracht, als sie stehenblieb, weil sie urplötzlich ein Geräusch vernommen hatte, das so gar nicht in dieses Haus paßte.
    Musik?
    Es klang so ähnlich, aber es war keine direkte Musik, sondern das helle Klingen von Glocken oder Schellen.
    Leise nur, aber durchaus zu hören.
    Angela rührte sich nicht von der Stelle. Sie lauschte mit angehaltenem Atem.
    Ja, es stimmte. Kein Irrtum. Sie hörte deutlich dieses leise Klingeln der Glocken, und sie war völlig überrascht davon. Warum vernahm sie dieses Klingeln? Das kam doch nicht von allein. Da mußte jemand sein, der dafür verantwortlich war.
    Angela versuchte herauszufinden, aus welcher Richtung das Geräusch drang. War es unten im Restaurant aufgeklungen?
    Nein, dafür hätte sie ihre Hand nicht ins Feuer gelegt. Aber das Klingeln kam auch nicht von oben.
    Es war einfach da, und es beherrschte den Flur. Angela empfand es keineswegs als beruhigend. Sie hatte es noch nie gehört, und eigentlich hätte es ihr fremd sein müssen. Das war aber nicht der Fall.
    Tief in ihrer Erinnerung stieg etwas hoch, das sie mit diesem hellen Klingeln in Verbindung brachte.
    Leider wußte sie nichts Näheres. Die Erinnerung war einfach zu tief verschüttet, vergraben in den Tiefen des Bewußtseins.
    Das Klingeln war auch eine Botschaft. Natürlich mehr als die im Internet, aber ebenfalls für sie bestimmt. Und sie wußte ebensowenig etwas damit anzufangen, wie mit der Botschaft aus dem Computer. Beide waren auch zu unterschiedlich.
    Angela ging erst weiter, als das Klingeln verstummt war. Doch sie dachte weiterhin darüber nach.
    Das mußte sie einfach tun, denn diese Botschaft ließ sich nicht vertreiben. Sie blieb ständig zurück in ihrem Kopf und klopfte an die Tür der Erinnerung.
    Im Restaurant schaltete Angela das Licht ein und war froh, alles so vorzufinden, wie sie es verlassen hatte. Das war vor gut einer halben Stunde gewesen. Oder lag es länger zurück? Angela wußte es nicht. Ihr war das Gefühl für Zeit einfach verlorengegangen.
    Sie brauchte Hilfe.
    Jemand mußte ihr jetzt zur Seite stehen, und sie wußte auch, an wen sie sich wenden konnte. Die Conollys hatte sie nicht vergessen. Zum Glück lagen unter der Theke die Telefonbücher. Sie holte das richtige hervor und blätterte es mit zitternden Fingern durch, bis sie endlich die Nummer gefunden hatte.
    So stellte sie fest, daß die beiden nicht einmal weit von ihr entfernt wohnten. Angela Morinelli steckte in einer Notlage. Da war es ihr gleichgültig, um welche Uhrzeit sie die Menschen störte. Sie mußte einfach mit jemand reden.
    Die Hände zitterten noch immer, als sie wählte. Dann ertönte das Freizeichen. Lange, für sie sehr lange, aber die Hoffnung wuchs wieder, als sie Conollys Stimme hörte. Zwar brummig, aber vertraut meldete er sich mit: »Ja, was ist denn?«
    »Ich bin es, Bill.«
    »Wer?«
    »Angela Morinelli.«
    »Ach Sie, Angela. Himmel, was ist denn passiert? Haben wir nicht alles bezahlt?«
    Nach irgendwelchen Witzen war der Frau nicht zumute. »Kommen Sie!« schrie sie in den Hörer.
    »Bitte kommen Sie sofort…« Dann konnte sie nicht mehr und brach schluchzend über der Theke zusammen…
    ***
    Samstag - ein Vormittag im Mai, und ein Tag, den ich mir im Kalender angestrichen hatte, weil ich endlich mal ausschlafen wollte, ob nun draußen

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