1016 - Der Narr aus Venedig
wir reagieren.«
Er wollte schon die Tür aufstoßen, als ich ihn zurückhielt. »Laß mal, Bill.«
»Was ist denn?«
»Wir haben bisher noch nicht darüber gesprochen, ob hinter den Vorgängen ein dämonischer Akt zu vermuten ist oder ob wir es mit einem normalen Fall zu tun haben.«
»Das weiß ich auch nicht, John. Würde es dich denn stören, wenn du es mal nicht mit schwarzmagischen Kräften zu tun hast?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Das habe ich mir auch gedacht.«
Das Restaurant lag in einem Haus mit zwei Stockwerken. Ich hatte einen raschen Blick über die Fassade gleiten lassen und festgestellt, daß die Räume in der zweiten Etage vermutlich nicht bewohnt waren, denn vor den Fenstern dort hingen keine Gardinen. Im Gegensatz zur ersten Etage, wo Angela Morinelli wohnte. Von der Straße her führte ein kurzer Weg zu den Parkplätzen vor dem Haus. Unser Porsche stand direkt vor der dunklen Eingangstür, die sich vor dem hellen Mauerwerk sehr kontrastreich abhob. Wir brauchten weder zu klopfen noch zu klingeln. Angela Morinelli hatte uns gesehen, öffnete die Tür und versuchte ein Begrüßungslächeln aufzusetzen, das ihr allerdings mißlang, denn eine so gute Schauspielerin war sie nun auch nicht.
»Das ist mein Freund John Sinclair, von dem ich Ihnen erzählt habe, Angela.«
»Freut mich, Mr. Sinclair.« Ihre Stimme klang leise. Sie reichte mir die Hand.
Ich hielt sie etwas länger fest als üblich. »Lassen wir die Förmlichkeiten, Angela, sagen Sie John zu mir.«
»Danke, das ist mir auch lieber.« Sie zog ihre Hand wieder zurück, die sehr kalt gewesen war. Beinahe schon leblos und tot. Die Frau trug eine dunkelgrüne Hose aus Cordsamt und als Oberteil einen locker fallenden schwarzen Pullover. Ihr Haar war wirklich ungewöhnlich blond für eine Italienerin.
Ein feingeschnittenes Gesicht, schön geschwungene Augenbrauen, die sanfte Haut, aber auch Ringe unter den Augen, in denen es flackerte. Die Angst der Frau war einfach nicht zu übersehen.
Sie bat uns hinein.
Ein kleines, aber feines Lokal. Angela war nicht allein. Die Tür zur Küche stand offen. Aus dem Raum hörten wir das Klappern von Tellern, und Kaffeeduft kitzelte unsere Nasen. Er stammte von der Espresso-Maschine, die hell und glitzernd auf der Theke stand.
»Espresso?« fragte Angela.
Wir stimmten zu. Dann suchten wir uns einen Tisch am Fenster aus. Bill fragte: »Wie gefällt es dir hier?«
»Gut. Das Lokal ist vor allen Dingen nicht überladen.«
»Perfekt, würde ich sagen. Schlicht in der Ausstattung, dafür aber ist das Essen super. Darauf kommt es schließlich an. Die Raviolis mit der Fischfüllung sind ein Gedicht, kann ich dir sagen. Du solltest sie mal kosten.«
»Später vielleicht.«
Angela servierte den Espresso und setzte sich zu uns. Wir tranken den heißen Kaffee, der uns guttat, und als Angela ihre kleine Tasse absetzte, sagte sie: »Ich habe die Leichenteile der Kater in die Tonne geworfen, die Köpfe auch. Danach habe ich das Zimmer so gut wie möglich gereinigt, aber ich konnte die Blutspuren nicht alle verschwinden lassen. Reste sind noch vorhanden.«
Ich konnte es ihr nicht verübeln, sagte aber: »Sie haben also Spuren verwischt?«
Für einen Moment zögerte sie mit der Antwort. »Wenn Sie es so sehen, ja, John.«
»Das war nicht gut.«
»Weiß ich, aber ich war in Panik.«
»Ist verständlich, Angela. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir Ihre Erlebnisse noch einmal zu erzählen? Ich weiß sicherlich, daß es für Sie nicht einfach sein wird. Ich bin Polizist, wie Bill Ihnen ja gesagt haben wird, und als solcher hat man nun mal seine bestimmten Methoden.«
»Das habe ich mir gedacht.«
Angela mußte sich erst sammeln. Sie krampfte dabei die Hände zusammen und ließ sie als Fäuste auf der Tischdecke liegen. Ich brauchte sie nicht dazu aufzufordern, von Beginn an zu reden, das tat sie von allein, und sie erzählte von der Zeit, wo die ersten Kontaktaufnahmen stattgefunden hatten.
Immer per Internet.
Es waren zunächst nur normale Grüße gewesen, die sich allerdings in Form und Inhalt gesteigert hatten, als sie nicht reagiert hatte. Da waren die Liebesschwüre bösartig geworden und hatten sich in regelrechte Drohungen verwandelt. Bis hin zum Mord.
Angela wurde von der Erinnerung überwältigt. Sie konnte nicht mehr so flüssig reden. Immer wieder mußte sie eine Pause einlegen, und schließlich fing sie an zu weinen, wofür sie sich entschuldigte.
»Himmel, das brauchen Sie nicht,
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