1026 - Der Favorit
den sie allzu gut kannte.
„Geh nicht weiter!" sagte sie hastig, aber es war schon zu spät.
Der Tart stieß einen erstickten Schrei aus. Scoutie eilte ihm nach und blieb erschüttert stehen, als sie Garayn erreicht hatte.
Zuerst sah sie nur Cylam. Der Krane lag auf dem Boden, blutend aus vielen Wunden.
Dann entdeckte sie auch Wyskynen, der etwas weiter entfernt neben einem Sessel zusammengebrochen war.
„Wer hat das getan?" flüsterte Garayn fassungslos.
Scoutie antwortete nicht. Sie drängte sich ungeduldig an dem Tart vorbei und beugte sich über Cylam. Zögernd legte sie die flache Hand an den Hals des Kranen. Sie mußte geraume Zeit suchen, bis sie eine Ader fand, in der es schwach, aber deutlich wahrnehmbar pulsierte. Sie sah auf und begegnete Garayns Blicken.
„Er lebt noch", sagte sie leise. „Du mußt Hilfe holen. Beeile dich!"
Aber da war der Tart schon zur Tür hinaus.
Sie untersuchte danach Wyskynen. Der Prodheimer-Fenke war tot.
Sie kehrte zu Cylam zurück und hockte sich neben ihn. Ohne viel Hoffnung bemühte sie sich, das Blut zu stillen, das aus den vielen Wunden drang. Sie fühlte sich entsetzlich hilflos.
Von draußen drang das Geräusch schneller Schritte herein. Brether Faddon tauchte in der Tür auf. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Kranen an, dann eilte er Scoutie zu Hilfe. Schließlich erschienen ein paar Tarts und Prodheimer-Fenken. Einer der Kleinen schob Scoutie ungeduldig zur Seite, und sie stand willig auf und überließ ihn und seinen Artgenossen das Feld.
„Werdet ihr ihn retten können?" fragte Brether Faddon einen der Tarts.
„Vielleicht", erwiderte der Fremde ausweichend. „Verlaßt jetzt diesen Raum."
Draußen trafen sie auf Garayn, der wie betäubt neben der Tür stand. Obwohl der Tart viel größer und stärker als die beiden Betschiden war, wirkte er in diesem Augenblick mitleiderregend wie ein Kind, dem etwas Schlimmes widerfahren war.
„Er hat noch eine Chance", sagte Scoutie spontan. „Und ich bin sicher, daß er überlebt.
Jemand wie ihn bringt man nicht so einfach um."
Der Tart sah sie dankbar an.
„Ich werde herausfinden, wer das getan hat", sagte er. „Und wenn ich ihn erwische, bringe ich ihn um."
Scoutie schwieg, und der Tart wandte sich ab und stapfte schwerfällig davon.
„Armer Kerl!" murmelte Brether Faddon. „Ich kann ihn verstehen. An seiner Stelle würde ich auch nur noch an Rache denken."
„Und genau das dürfte in diesem Fall nicht ungefährlich sein", sagte Scoutie leise. „Wer immer es auch gewesen sein mag - er hat die beiden besiegt, und das war sicher nicht leicht."
Brether stutzte.
„Daran habe ich noch gar nicht gedacht", sagte er überrascht. „Aber du hast recht. Es muß ein mörderischer Kampf gewesen sein."
Er sah sich um.
Mittlerweile hatten sich Dutzende von Kämpfern eingefunden. Sie standen stumm entlang der Wände und warteten bedrückt darauf, daß jemand aus dem Zimmer kam und ihnen sagte, wie es um Cylam stand. Brether Faddon ging auf einen von ihnen, einen gedrungenen, braunhäutigen Vierbeiner zu.
„Wohnst du in diesem Stockwerk?" fragte er.
Der andere sah mit kleinen, listigen Augen zu Brether Faddon auf.
„Ja", antwortete er mit knarrender Stimme. „Gleich neben Wyskynen."
„Hast du etwas von dem Kampf gehört?"
Der Vierbeiner kratzte sich nachdenklich hinter dem rechten Ohr.
„Nein", sagte er schließlich. „Das ist merkwürdig, nicht wahr?"
Ein grüngeschupptes Wesen trat zu den beiden heran.
„Ich habe auch nichts gehört", erklärte es. „Aber ich habe etwas gesehen."
„Rede schon!" knurrte der Vierbeiner, als der andere eine Pause einlegte.
„Zwei Kranen und ein Tart waren bei Cylam", erklärte der Grüngeschuppte. „Ich sah sie aus seinem Zimmer kommen."
„Und wie sahen sie aus?" fragte Brether Faddon.
„Wie Kranen und Tarts eben aussehen", meinte der Grüne ratlos. „Ich kann sie nie auseinanderhalten."
„Das meinte ich nicht. Sieh mal, es muß doch ein Kampf stattgefunden haben. Ich kenne Cylam und Wyskynen nicht besonders gut, aber ich bin ziemlich sicher, daß man sich mit den beiden nicht herumprügeln kann, ohne selbst etwas abzubekommen."
„Jetzt verstehe ich dich. Nein, die Fremden sahen nicht so aus, als ob sie einen Kampf hinter sich gehabt hätten. Sie waren sehr sauber und ordentlich gekleidet. Der eine Krane hatte ein buntes Halstuch um - es war so schön zurechtgezupft, daß er sicher Minuten gebraucht hat, um es in diese Form zu
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