1026 - Der Favorit
imstande, seine Anhänger jetzt zur Räson zu bringen. Wenn sie wüßten, daß die Bruderschaft dahintersteckt, dann würden sie auch einsehen, daß sie keine Chance haben, den wahren Schuldigen zu erwischen. Aber selbst wenn sich entsprechende Spuren ergeben, werden Groflers Leute die Sache totschweigen - unseretwegen."
„Dann sorge dafür, daß ihnen das nicht gelingt", ordnete Gu an. „Notfalls müßt ihr eine Spur erfinden."
Er erhob sich von dem extraweichen Sessel, in dem er es für die Dauer des Gesprächs ausgehalten hatte.
„Ich werde mir die Betschiden ansehen", sagte er. „Hoffentlich komme ich dazu, ein paar vernünftige Worte mit ihnen zu wechseln. Ich möchte, daß du mich begleitest, Jurtus-Me, und sage auch einigen von den anderen Bescheid."
„Wäre es nicht besser, wenn ich mich um Cylam kümmern könnte?" fragte die Kranin.
„Es könnte doch sein, daß er mir etwas zu sagen hat. Ich möchte bei ihm sein, wenn er zu sich kommt."
„Mir scheint, ich werde alt", murmelte der Herzog. „Du hast natürlich recht. Geh zu ihm.
Eine andere wird deine Rolle übernehmen."
Wenig später gab Klidser, der Kommandant der KRANOSI, durch, daß die Schweber bereitstanden. Umgeben von seinem „Gefolge" verließ Herzog Gu das Schiff und begab sich zu jenem Ort, an dem traditionsgemäß die Lugosiade eröffnet werden sollte. Dort, so hatte er mit Tarnis vereinbart, würde er die Betschiden treffen.
*
Obwohl bis zur Eröffnungszeremonie noch eine volle Stunde vergehen mußte, war der Platz voller Schaulustiger. Sie standen so dicht zusammengedrängt, daß man fast nur noch Köpfe sah. Hätte man von einem Schweber aus einen Gegenstand auf diese Menge geworfen, der größer war als die Faust eines Prodheimer-Fenken, dann hätte dieser Gegenstand kaum eine Chance gehabt, zu Boden zu fallen.
Das Gebäude, auf dessen untersten Balkon Herzog Gu in einer Stunde erscheinen würde, wurde streng bewacht. Überall in den Gängen liefen bewaffnete Tarts herum, und draußen standen sie gar in einer Doppelreihe. Der Saal, in den man den Herzog und seine Begleiter führte, war noch zusätzlich abgesichert. Gu konnte es sich nicht verkneifen, Tarnis gegenüber eine spöttische Bemerkung zu diesem Thema zu machen.
Der Stadtverwalter sah den Herzog nur verwundert an. Hargamäis und Marnz, die beiden anderen, ebenfalls von Kran aus eingesetzten Stadtverwalter, wandten sich hastig den kalten Platten zu und taten, als wären sie vollauf mit der Wahl der Speisen beschäftigt.
Gu fragte sich, ob seine Tarnung tatsächlich so wirksam war, oder ob diese Leute den Verstand verloren hatten. Wie konnten sie nur annehmen, daß er sich über die so offensichtlichen Mißstände hinwegtäuschen ließ!
„Wo sind denn nun diese Betschiden?" fragte er ungeduldig. „Ich will sie sehen!"
„Ich führe dich zu ihnen", bot Tarnis höflich an, und auch Grofler war plötzlich zur Stelle.
„Es sind ganz einfache Rekruten", behauptete er nervös. „Warum willst du gerade sie sehen? Sie werden bei der Lugosiade wohl kaum eine besondere Rolle spielen."
„Diese einfachen Rekruten haben für beträchtlichen Wirbel gesorgt", bemerkte Herzog Gu spöttisch. „Sie haben allem Anschein nach eine besondere Begabung dafür, in Situationen zu geraten, bei denen sorgsam verdeckte Mißstände urplötzlich ans Licht befördert werden."
Dem armen Grofler sträubte sich vor Schreck das Fell, und Tarnis sah aus, als wollte er im nächsten Augenblick in Ohnmacht fallen.
„Gehen wir", sagte Gu munter und gab seinem Gefolge einen Wink.
Die drei Betschiden standen nicht weit entfernt in einer Ecke, und obwohl eine ganze Menge Leute um sie herumwimmelten und auf sie einsprachen, sahen sie aus, als fühlten sie sich einsam. Herzog Gu sah sie sekundenlang überrascht an, dann hatte er den flüchtigen Schock, den ihr Anblick ihm versetzte, überwunden. Langsam ging er auf die drei Fremden zu.
*
Scoutie, Mallagan und Brether Faddon wußten nicht recht, was sie davon halten sollten, daß man sie Herzog Gu vorzustellen wünschte. Jedenfalls war Carzykos überraschend im Haus der Kämpfer aufgetaucht und hatte sie abgeholt. Nun standen sie in einem großen Saal, in dem sich Hunderte von Menschen drängten, und Op, Ylsga und ein paar andere redeten aufgeregt auf sie ein.
Offenbar ging es diesen Leuten allein darum, daß die Betschiden dem Herzog ja nichts von der Entführung und deren Ende erzählten. Am besten wäre es, so teilte man
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