1038 - Der Seelen-Kerker
harter Erde dazwischen, waren für die Ewigkeit gebaut worden.
Wie aber waren die Gefangenen in den Kerker hineingelangt? Die Antwort interessierte Capus brennend. Er leuchtete deshalb in die Höhe, da er damit rechnete, die Reste einer Treppe zu entdecken.
Zumindest einen Haufen aus Steinen.
Capus irrte sich.
Über ihm malte sich eine Decke ab. Allerdings auch eine viereckige, geschlossene Klappe, die all die Jahrhunderte überdauert hatte und aussah, als könnte sie niemals zerstört werden.
Die Antwort war jetzt einfach. Wenn jemand dazu verurteilt worden war, den Rest seines Lebens in diesem Kerker zu verbringen, dann hatte man ihn durch die Klappe nach unten gestoßen, geworfen oder auch anders hinabgelassen. Möglich war alles. Es hatte allein im Ermessen der Schergen gelegen.
»Diese Schweine!« flüsterte Capus und schüttelte sich. Wie grausam waren manche Menschen damals gewesen. Darüber wollte er besser nicht nachdenken, denn in der heutigen Zeit waren Menschen ebenso schlimm, was Folterungen anging. Selbst in Europa, wo noch bis vor kurzem blutige Kriege auf dem Balkan getobt hatten, war die Folter gang und gäbe gewesen.
Er leuchtete den Boden ab.
Steine und Knochen verteilten sich innerhalb seiner Umgebung.
Als hätte ein Regisseur diese Szene geschaffen. Man sagte dem Kerker nach, daß Menschen, die in ihm landeten, ihre Seele verloren, weil sie von irgendeiner Kraft aufgesaugt wurden. Das konnte stimmen, mußte aber nicht so sein, denn diese Kraft hatte niemand genauer definieren können. Es war nur des öfteren davon die Rede gewesen, daß selbst die brutalsten Schergen es nicht gewagt hatten, den Kerker zu betreten, weil sie sich eben vor dieser Kraft fürchteten.
Capus hatte genug gesehen. Er hatte die Größe des Kerkers geschätzt, und zu rechnen begonnen. Er brauchte die optimalsten Orte, an denen er seine Scheinwerfer aufbauen konnte, um entsprechende Lichtverhältnisse zu erhalten.
Die Lampe legte der Mann eingeschaltet auf einen aus dem Boden ragenden Buckelstein. Der Strahl leuchtete jetzt auf den Rucksack, den Capus öffnete. Er hatte das Zeug wirklich geschleppt. Jetzt, wo die Ladung nicht mehr gegen seinen Rücken drückte, fühlte er sich so leicht und locker. Wie jemand, der plötzlich abhob und einfach davonfliegen wollte.
Capus bemühte sich, die finstere, mit Elend und Blut durchtränkte Umgebung zu vergessen, als er seine Geräte aus dem Rucksack holte und aufbaute.
Stative für die Scheinwerfer. Sie ließen sich leicht auseinanderschieben. Auf die beiden Stative würde er die Scheinwerfer aufbauen. Ein drittes diente dazu, der Videokamera Halt zu geben, doch das ließ er im Rucksack.
Ein Gefühl sagte ihm, daß es besser war, wenn er die Kamera selbst führte. Starke Batterien speisten die Scheinwerfer, deren Lichtstärke sich regulieren ließ.
Capus beging keinen Fehler. Er hatte den Aufbau immer wieder geübt. Jetzt war er perfekt. Eine gewisse Spannung überfiel ihn schon, bevor er die Scheinwerfer einschaltete. Wenn alles klappte, würde das alte Verlies optimal ausgeleuchtet werden.
Er war zufrieden, wischte die schweißnassen Handflächen an seiner Hose ab und reinigte auch das Gesicht vom klebrigen Schweiß.
Die Kamera hielt er bereits in der Hand. Sie war leicht und nicht mehr mit den Videokameras zu vergleichen, die es noch vor einigen Jahren gegeben hatte.
Capus schaltete die Scheinwerfer ein.
Aus Nacht wurde Tag!
Von zwei verschiedenen Seiten her strahlte das Licht in den Kerker hinein. Beide Kegel vereinigten sich nicht. Sie schufen nur sehr breite Flecken, die nur an den Rändern leicht zusammenflossen.
Capus schaute sich um. Im hellen Licht sah der Kerker natürlicherweise völlig anders aus. Trotzdem hatte er nichts von seinem Grauen verloren. Da gab es die dunkleren Steine und dazwischen die helleren Knochen und Gebeine der hier verstorbenen Menschen.
Manche Schädel waren noch völlig in Ordnung. Einige lagen so, daß sie Capus mit ihren knochigen Gesichtern direkt anschauten. Er starrte die leeren Augenhöhlen an, die offenen Münder oder die Löcher, an denen sich einmal die Nase der Menschen befunden hatten.
In manchen Öffnungen bewegten sich kleine Käfer oder Würmer.
Gestört durch das Licht versuchten sie, dunklere Stellen und Verstecke zu erreichen.
Es gab zwei Ecken innerhalb des Kerkers, deren Boden einen besonders dunklen und feuchten Film aufwies. Capus konnte seiner Phantasie freien Lauf lassen. Womöglich waren es Orte, an
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