1038 - Der Seelen-Kerker
glitt ins Leere und wenig später dorthin, wo die Kommode an der Wand stand, in der er seine Videoausrüstung aufbewahrte.
Dort lagen auch die beiden Kassetten. Auf der Kommode stand der Fernseher. Der Bildschirm schimmerte in mattem Grau und sah aus wie in die Luft gezeichnet.
Capus überlegt, ob er die Kassette in den Recorder schieben sollte oder nicht. Nein, er brachte es nicht fertig. Er hatte sie noch nie angeschaut. Auch jetzt würde die Überwindung einfach zu groß sein, besonders nach seinem Traum.
Warum wurde er davon verfolgt?
Die Frage konnte er sich nicht selbst beantworten. Da mußte es in seiner Psyche irgend etwas geben, das mit dieser Ausgeburt der Hölle in Kontakt stand. Es war da eine Verbindung entstanden, die er leider nicht kappen konnte, so gern er es auch getan hätte.
Capus griff zu den filterlosen Zigaretten. Die Schachtel lag ebenfalls am Boden. Genau neben dem Aschenbecher. Er schob sich ein Stäbchen zwischen die Lippen und brachte die Spitze an die Flamme des Feuerzeugs. Tief saugte er den Rauch ein, der in seiner Kehle kratzte und bei ihm einen Hustenreiz hinterließ. Er war wütend. Er schüttelte den Kopf über sich selbst. Vorwürfe drängten sich hoch.
Der nächste Schluck aus der Flasche. Asche fiel zu Boden, was ihn nicht weiter kümmerte. Seine Gedanken waren plötzlich beflügelt worden und auf Wanderschaft. Wieder stellte er sich vor, wie er den Stollen betreten hatte und bis zum Kerker hindurchgegangen war.
Ein Weg, der letztendlich für ihn leicht gewesen war. Und nicht nur für ihn, auch für einen anderen Menschen würde er nicht schwer sein. Obwohl er die Ausgeburt der Hölle nicht zu den Menschen zählte. Sie aber konnte durch den Weg, den er hingegangen war, leicht wieder zurückgehen. Die Unterwelt verlassen, seine Spur aufnehmen und ihn letztendlich finden.
Ja, das traute Capus diesem Wesen zu. Und genau das machte ihm auch angst. Es konnte durchaus der Grund für seine schrecklichen Träume in den vergangenen Nächten sein. Verfolgungswahn, der nicht unbedingt nur Wahn sein mußte, sondern sich zur Realität wandeln konnte.
Kam das Wesen?
Bei dieser Frage zitterte Capus. Hastig drückte er die Zigarette im Ascher aus. Letzte Rauchschwaden trieben durch den Raum und wehten auch auf die Fenster zu, die der Mann allerdings geschlossen hielt. Er schaute nur hin und stellte sich vor, daß die Gestalt plötzlich auf dem Dach hockte und mit ihren verfluchten starren Augen, die durchaus einem Toten gehören konnten, in sein Zimmer glotzte.
Wieder nahm er einen Schluck. Danach stand er mit einem Ruck auf. Etwas unsicher bewegte er sich auf die Wohnungstür zu. Der Lichtschalter befand sich daneben.
Er drückte ihn nach unten. Die Lampe unter der Decke gab weiches Licht ab. Es fiel auch auf die winzige Küchenanlage. Sie bestand aus einem Herd und einer Spüle sowie einem kleinen Kühlschrank. Mehr brauchte Capus nicht.
Aber da gab es an der anderen Wandseite noch den Schreibtisch.
Umrahmt von zwei mit Büchern vollgestopften Regalen. Diese Bücher waren sein ganzer Stolz. Mit ihren Inhalten hatte er sich oft genug beschäftigt und sehr viel gelernt. So wußte er genau, wo er suchen mußte, um den Spuren der Inquisition nachzugehen. Capus hatte es sich zur Aufgabe gemacht, der Nachwelt Dokumente vorzulegen, obwohl er keinen offiziellen Auftrag erhalten hatte.
Er arbeitete für sich. Nach dem Studium der Geschichte und der Theologie hatte er keinen Job gefunden. Seinen Lebensunterhalt verdiente er durch Gelegenheitsarbeiten. Das brachte gerade soviel ein, um existieren zu können. Außerdem gab es da noch eine Tante, die ihm fast jeden Monat einen Scheck schickte.
Sollte er sich dafür verfluchen, den Keller gesucht und auch gefunden zu haben?
Nein, das wollte er nicht. Er war den rechten Weg gegangen. Nur kam er allein jetzt nicht mehr weiter. Da mußte ihm schon jemand zur Seite stehen.
Er wußte auch, wer das war.
Während seiner Studienzeit hatte er nicht nur in der Uni gesessen, sondern auch praktische Studien betrieben. Er war in den Semesterferien durch das Land gereist und hatte viele historische und auch kirchengeschichtlich relevante Stätten besucht. Und so war er auch auf die Spur der Templer gestoßen, die es tatsächlich noch gab und von einem Mann in Frankreich geführt wurden, der Abbé Bloch hieß.
Capus erinnerte sich daran, mit dem Abbé lange und intensiv gesprochen zu haben. Es waren gute Gespräche gewesen. Vor allen Dingen hatten sie
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