1041 - Der Rächer
ist richtig.«
»Wie kam er dann um?«
Die Hände des Geistlichen bewegten sich unruhig. »Ich wage es kaum auszusprechen, aber man hat ihm die Kehle regelrecht zerfetzt. Als wäre es ein Raubtier gewesen, das ihn angesprungen hat. So jedenfalls hat man es mir übermittelt.«
Suko räusperte sich. »Die Kehle aufgerissen? Was soll das denn wieder bedeuten?«
»Er hat seine Methode geändert«, sagte Kollege Biker.
Wir schwiegen zunächst. Dachten nach. Ich wollte Biker nicht zustimmen.
Es hatte logisch geklungen, aber etwas war mir suspekt, paßte einfach nicht zusammen, das sagte mir mein Gefühl, und darauf habe ich mich schon oft verlassen können.
»Dir geht auch was quer, John.«
Ich nickte Suko zu. »Und ob. Warum hat er diesen Pfarrer nicht in Brand gesteckt wie sonst?«
»Wegen der Zeugin?«
»Glaubst du das, John? Glaubst du, daß er ihretwegen einen Rückzug gemacht hat?«
»Ja. Sie ist ein Kind.«
»Dem Argument kann ich folgen. Und dann findet man den Pfarrer mit zerfetzter Kehle.« Ich schaute Suko an. »Warum hat er seine Methode verändert?«
»Er ist geflohen«, sagte Kinsley.
»Bitte?«
»Ja, er verschwand. Das ist die Aussage der Zeugin.«
»Und kehrte noch einmal zurück?«
Der Geistliche hob die Schultern.
Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Da läuft einiges quer«, faßte ich zusammen. »Ich habe den Eindruck, daß wir an einem Wendepunkt stehen, und ich könnte mir auch vorstellen, daß wir von nun an nach zwei Tätern suchen müssen.«
Der Pfarrer und auch Biker erschraken, während Suko nickte, denn er mußte die gleichen Gedanken verfolgt haben wie ich. »Ja, zwei Täter, meine Herren«, sagte er.
»Wir müssen hin.«
Suko stand schon auf.
Auch Biker erhob sich. Nur der Pfarrer blieb sitzen. »Sie wollen mit diesem Mädchen reden?«
»Sie ist der Joker«, erklärte ich. »Und sie ist jemand, der alles gesehen hat. Eine wichtige Zeugin, die der Killer eigentlich nicht am Leben lassen kann.«
»Um Himmels willen, ein Kind.«
»Ja, manchmal gibt es Dinge, die einfach nicht in den Kopf eines normalen Menschen hineinwollen.«
»Okay, ich sage Ihnen, wie Sie fahren müssen, damit Sie…«
»Moment mal!« Sukos scharfe Stimme unterbrach ihn. Wir waren sofort still und standen auf unseren Plätzen wie Läufer vor dem Start.
Suko hatte sich gedreht und schaute auf die geschlossene Tür. Er ging nicht hin, sondern zog einige Male die Nase hoch. »Ja«, flüsterte er. »Ja, verdammt. Das ist es. Riecht ihr es nicht?«
»Was denn?« fragte Biker.
»Benzin, Freunde, hier riecht es nach Benzin…«
***
Shannon war wieder im Ort. Er war in ihn hineingeschlichen, aber er hatte seinen Wagen noch nicht verlassen. Über Seitenwege hatte er sich an sein Ziel herangetastet und nicht weit vom Haus des Pfarrers entfernt seinen alten Ford im Schatten eines Schuppens abgestellt. Dann war er ausgestiegen und hatte die beiden mit Benzin gefüllten Kanister aus dem Kofferraum geholt.
Es war Abend geworden. Die Dunkelheit umgab den Mann wie schwarzes Öl. Nur hin und wieder sah er Lichter durch die Schwärze schimmern. Sie leuchteten weiter von ihm entfernt. Er würde sich hüten, in ihren Schein zu geraten.
Blue Ball zeigte sich von seiner weihnachtlichen Seite. In manchen Gärten und Vorgärten waren Lichterketten in Bäume gehängt worden. Auch Kerzenschein breitete sich hinter einigen Scheiben aus.
Die Vorweihnachtszeit war angebrochen. Auch eine Zeit des Wartens und der Hoffnung. Eben durch die Lichter dokumentiert.
Das alles interessierte Shannon nicht mehr. Er hatte andere Sorgen.
Sein Racheplan mußte erfüllt werden. Er würde ein besonderes Licht setzen, indem er das Haus des Pfarrers abfackelte.
Er war vorsichtig, obwohl es ihn drängte, so rasch wie möglich an das Ziel zu kommen. Immer wieder schaute er sich um, suchte nach irgendwelchen Beobachtern, auch nach Polizisten, aber er sah keinen Fremden. Wenn Menschen in sein Blickfeld gerieten, dann waren es welche, die er von früher her kannte.
Früher… ja, so mußte er es sehen. Die Zeit, die er hier verbracht hatte, war für ihn schon früher. Er hatte sie abgehakt und war nicht einmal an seinem ehemaligen Haus vorbeigefahren.
Der Geistliche wohnte zum Glück etwas abseits. An der Rückseite war sein Haus von einer hohen Hecke umgeben, die ebenfalls einen guten Schutz bot. Ihn nutzte Shannon aus, bis er das westliche Ende der Hecke erreichte, es umging und das Haus jetzt vor sich liegen sah. Von hier
Weitere Kostenlose Bücher