1049 - Der Geist des Vaters
eine Sache zwischen den beiden. Da können wir uns nicht hineinhängen, Sugar.«
»Verstehe, ja, ich verstehe. Aber was ist mit Nico? Wie kommt er da wieder raus?«
Terence Bull hob die Schultern. »Hast du schon etwas von einem Bauernopfer gehört, Junge?«
»Nein, habe ich nicht. Ich kann mir denken, was dahintersteckt. Keine Chance für Nico mehr?«
»Leider nein«, gab der Konstabler zu und griff schließlich zum Telefonhörer…
***
Ich wußte jetzt Bescheid!
Konstabler Terence Bull hatte mich angerufen, und es war ein verdammt langes Gespräch geworden. Jetzt lag der Hörer wieder auf dem Apparat, doch meine rechte Hand zitterte noch immer. Es lag nicht nur daran, daß ich den Hörer so lange gehalten hatte, ich war auch bis in den letzten Knochen hin aufgewühlt.
Es gab meinen Vater im Prinzip nicht mehr. Und trotzdem war er noch vorhanden. Nur nicht als Horace F. Sinclair, sondern im Körper eines noch sehr jungen Mannes, der auf den Namen Nico Goodwin hörte. Ihn hatte sich die Seele meines alten Herrn oder der Geist als Gastkörper ausgesucht. Verdammt, damit mußte ich erst einmal zurechtkommen. Ich wollte nichts abstreiten, alles mußte akzeptiert werden, doch das Schlimmste stand mir noch bevor.
Der Konstabler hatte mir auch erzählt, daß sich Nico auf dem Weg zu mir befand und mir bald gegenüberstehen würde. Bull hatte mir auch seine Hilfe angeboten, doch die hatte ich abgelehnt. Mit dieser Sache mußte ich allein zurechtkommen. Das war wirklich mein ganz persönlicher Fall und mein ureigenstes Problem.
Terence war feinfühlig genug gewesen, um mir nicht noch mehr Fragen zu stellen. Wie ich mich verhalten und was ich genau tun würde, wenn mir die Person plötzlich gegenüberstand, die mit der Stimme meines Vaters sprach.
Ich würde mich zusammenreißen müssen, und zwar sehr stark, das stand fest. Ich mußte auch versuchen, diesen Menschen nicht als meinen Vater anzusehen und auch nicht als Mensch mit allem was dazugehörte. Es galt sie als Person zu sehen, nicht mehr und nicht weniger. Ob ich zu dieser Objektivität fähig war, das stand in den Sternen. Leichtfallen würde es mir nicht.
Ich stand auf. Müde. Fühlte mich matt. Die Statue steckte ich in die Seitentasche. Das Schwert ließ ich stehen. Beides würde möglicherweise noch wichtig werden.
Mit müde wirkenden Schritten verließ ich das Arbeitszimmer, ging in die Küche und gönnte mir dort den lang ersehnten Schluck Wasser. Die Erfrischung tat gut. Sie möbelte mich wieder auf, doch die schlimmen Gedanken an die nähere Zukunft konnte auch das Wasser nicht hinwegschwemmen.
Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster. Ich sah nahe des Baumes keine Bewegung. Dann rechnete ich mir aus, wie lange jemand brauchte, um von Lauder hierher zu kommen.
Zwanzig Minuten, wenn er schnell lief. Bei normaler Schrittfolge eine halbe Stunde.
Darauf richtete ich mich ein.
Das Licht blieb auch weiterhin ausgeschaltet. Ich wollte den Besucher im Dunkeln erwarten. Die Lampe im Arbeitszimmer brannte ebenfalls nicht mehr.
Es war finster im Haus geworden. Keine pechschwarze Dunkelheit, die wie mit Teer gestrichen in der Luft hing, sondern mehr ein düsteres Grau, als wollte es die Stimmung meiner Psyche nachzeichnen. Äußerlich war ich ruhig, innerlich jedoch verdammt nervös, und so bewegte ich mich auch.
Im Arbeitszimmer blieb ich nicht sitzen. Ich durchwanderte das gesamte Haus. Dazu zählte auch die obere Etage. Wenn es zu finster wurde, nahm ich die Lampe zu Hilfe. Der Strahl glitt hinein in die Leere. Es war zu spüren, daß hier niemand mehr wohnte. Das menschliche Flair war aus diesem Haus verschwunden, dessen Besitzer nun ich war.
Auch aus der ersten Etage schaute ich hinaus. Das Licht über der Haustür bildete eine helle Insel, durch die ganz schwach nur Dunstschleier trieben.
Der Atem war mir schwer geworden. Wie ein Schatten ging ich an den Fenstern des Obergeschosses vorbei, immer wieder einen Blick nach draußen werfend.
Er kam noch nicht.
Über die Treppe ging ich wieder nach unten. Leuchtete in das Arbeitszimmer hinein, und auch dort gab es keine Veränderung. Mein Schwert lehnte noch immer am Schreibtisch. Niemand war gekommen, um es zu stehlen. Die Zeit verstrich, und meine Unruhe nahm zu. Nach meiner Rechnung mußte sich die Person schon in der Nähe des Hauses befinden. Den besten Überblick hatte ich vom Küchenfenster aus. Im Dunkeln und trotzdem etwas geduckt hielt ich mich dort auf, den Blick durch die Scheibe vor
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