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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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zu tun hatte. Es kam ihm gar nicht darauf an, Dokumente zu fälschen und anderer Leute Namen zu mißbrauchen. Schrecklich war das! Lassen Sie sich mit dem Menschen nicht ein!« sagte er mit Nachdruck.
    Für ihn schien Amersham im Augenblick noch zu leben.
    »Nachdem er mich nach England zurückgebracht hatte, ließ meine Mutter die beiden Leute wiederkommen, die auch nach meinem Vater gesehen hatten … Gilder und Brooks. Sie sind in Wirklichkeit keine Diener, sie sollten sich nur um mich kümmern. Sie verstehen, was ich meine?«
    »Ja, vollkommen.«
    Plötzlich kam dem jungen Lord ein Gedanke, der ihn belustigte.
    »Sie erinnern sich doch an den Raum, den meine Mutter Ihnen nicht zeigen wollte? Ich kann Ihnen sagen, was darin ist. Alle Wände sind ausgepolstert, und überall sehen Sie Gummikissen. Ich mußte immer hineingehen, wenn mir die Dinge klar wurden.«
    »Sie meinen, wenn Sie den anderen unangenehm wurden?« erwiderte Tanner lächelnd.
    »Nein, wenn mir die Dinge klar wurden«, entgegnete der Lord ärgerlich. »Ich weiß genau, was ich sage. Wenn ich alles deutlich sehe, wie es wirklich ist, dann ist es schrecklich, und nur wenn ich in große Erregung komme, kann ich klar denken.«
    Tanner lehnte sich über den Tisch, und Lebanon wich schnell zurück.
    »Rühren Sie mich nicht an!« Er legte die Hand auf die Brust.
    »Ich brauche nur Feuer – seien Sie einmal der höfliche Gastgeber.«
    Als Willie das hörte, wurde er wieder freundlich.
    »Es tut mir leid – außerordentlich leid.«
    Er steckte ein Streichholz an und hielt es Tanner mit ruhiger Hand hin, während der an seiner Zigarre zog. Dann blies er es aus und legte es sorgfältig auf den Aschenbecher.
    »Sind Sie nun Freund oder Feind?« fragte er.
    »Wie können Sie so etwas fragen? Ich bin doch Ihr Freund.«
    »Sie haben aber nach Scotland Yard telefoniert, daß man drei Ärzte schicken soll, um mich für verrückt zu erklären. Ich habe es selbst gehört, daß Sie das am Apparat sagten.«
    »Die besuchen mich doch nur«, protestierte Tanner.
    »Das ist nicht wahr. Sie kommen meinetwegen.« Willies Züge verhärteten sich. »Aber ich kann ihnen schon etwas vorlügen, genau wie Ihnen und all den anderen. Meine Mutter war leider von diesem verdammten Amersham abhängig. Der hatte sie in seiner Gewalt. Ich werde Ihnen auch sagen, warum. Sie verwaltete das Vermögen meines Vaters, was eigentlich durch das Vormundschaftsgericht hätte geschehen müssen. Natürlich wäre sie in Teufels Küche gekommen, wenn man das erfahren hätte. Amersham drohte ihr immer, daß er zur Polizei gehen würde, deshalb hat sie ihm viel Schweigegeld gegeben.«
    »Warum waren Sie aber so unfreundlich zu Ihrem Chauffeur?«
    Der junge Lord wurde traurig.
    »Das tut mir entsetzlich leid. Er war ein so guter Kerl, aber ich fürchtete mich nun einmal vor Indern. Die haben einmal versucht, mich umzubringen; sie waren damals so aufgebracht wegen des jungen Mädchens.
    Ich wußte nicht, daß dieser Maskenball im Dorf abgehalten wurde, und als ich den Inder auf dem Weg durch den Park sah, bekam ich Angst vor ihm – und dann ist es eben geschehen …«
    Tanner sah, daß Willie Lebanon die Tat aufrichtig bereute.
    Tränen standen in den Augen des Lords, denn er hatte Studd wirklich gern gehabt.
    »Ich habe noch eine Woche hinterher geweint. Meine Mutter und die Dienstboten werden Ihnen das bestätigen. Zu seiner Beerdigung habe ich kostbare Blumen geschickt, und seine Schwester hat zweihundert Pfund von mir bekommen. Sie war seine einzige Verwandte. Das Geld habe ich aus der Kassette meiner Mutter gestohlen. In Wirklichkeit gehört mir doch alles, aber meine Mutter war damals, wie immer, sehr ärgerlich.«
    Er sah nach der Treppe, dann nach der Tür.
    »Soll ich Ihnen einmal etwas zeigen?« fragte er lächelnd. »Aber Sie müssen mir vorher versprechen, niemand etwas davon zu sagen.«
    »Ich gebe Ihnen mein Wort.«
    Lebanon zog eine Pistole aus der Tasche.
    »Die habe ich Brooks abgenommen«, sagte er befriedigt. »Und ich habe es sehr geschickt gemacht. Ich wollte schon immer eine Schußwaffe haben.«
    Er sah Tanner plötzlich wieder ernst an.
    »Man kann sich selbst erwürgen, aber es ist sehr schwer, und die Leute sehen auch so häßlich aus.« Schaudernd schloß er die Augen. Als er sie wieder öffnete, war sein Gesicht verzerrt und eingefallen. »Manchmal ist mir schon der Gedanke gekommen, daß diese ganze Familie aufhören muß zu existieren, mit all ihren Wappen und

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