1051 - Als Verfluchte grüßen...
unsere Körper in die Höhe hievten. Hinter mir fuhr das beladene Schiff vorbei. Von Bord hörte ich noch Schreie, dann wurden die Frau und ich nicht nur in die Höhe getrieben, sondern auch überschwemmt, und meine Hand rutschte von der Sprosse ab.
Ich griff nach. Fand Halt. Das Wasser zog sich zurück. Endlich wieder Luft.
Die Frau hing in meinem rechten Arm. Sie war schwer. Das zählte in diesem Moment nicht. Es gelang mir trotzdem, sie in die Höhe zu schieben. Ich wollte, daß sie sich festhielt, etwas höher kletterte, damit Suko sie erreichen konnte.
Mein Freund lag bäuchlings auf dem Boden, hatte seinen Arm ausgestreckt und die Hand über die Kante gedrückt, um uns ein Stück entgegenzukommen.
»Noch etwas höher, John!« schrie er mir ins Gesicht.
Ich versuchte es noch einmal. Wieder schwemmte eine Welle heran und trieb uns etwas nach oben.
Diesmal paßte es.
Sukos Arm war lang genug. Die Hand glitt durch die nassen Haare der Frau. Dann hatte er die Schulter erreicht, um dort den nassen Stoff zu umklammern.
»Okay, John, das schaffe ich!«
Er bekam es hin. Zudem schob ich noch nach. So glitt die Frau praktisch an der Leiter entlang nach oben und konnte von Suko aufs trockene gezogen werden.
Ob er Wiederbelebungsversuche einleitete, war von meiner Perspektive aus nicht zu sehen. Ich hing an der Leiter wie ein erschöpfter Affe, fror erbärmlich und würde mir wer weiß was holen, wenn ich nicht schnell genug in Wärme gelangte.
Ich war naß bis auf die Haut, stank nach Kanal und kletterte mit mühsamen und steifen Bewegungen die Sprossen hoch.
Tropfnaß ließ ich mich auf die Knie fallen. Die Klamotten hingen schwer an mir. Ich war zunächst nicht mal in der Lage, auch nur ein Wort zu sprechen. Kniete nur am Boden und atmete keuchend. An allen Seiten tropfte es, aber ich hatte die Frau aus dem Wasser gezogen, und sie lebte.
Verzerrt grinste ich Suko zu. Er nickte zurück. »Okay, John, wir haben es gepackt.«
»Wie geht es ihr?«
»Noch will oder kann sie nicht reden.«
Der Schock wahrscheinlich. Wir müssen in den Wagen.
»Ja, denke ich auch, sonst friere ich hier noch fest.«
Der große Streß hatte mich verlassen. Mein Körper reagierte wieder normal auf äußere Einflüsse. Ich zitterte plötzlich vor Kälte und fror vom Kopf bis zu den Füßen.
Suko hatte die apathische Frau hochgehievt und über seine Arme gelegt. Er trug sie wie ein kleines Kind, und so ging er auf die Böschung zu, die mit kargem Gestrüpp bewachsen war. Dort befand sich auch eine Treppe, die hoch zur Brücke führte.
Es fiel uns beiden nicht einfach, die steilen und feuchten Stufen hochzusteigen, aber wir packten es und rutschten auch nicht mehr ab, obwohl das Gestein mit Moos bedeckt war.
Der Rover wartete auf uns. Während Suko die Frau auf den Rücksitz setzte, öffnete ich die Haube des Kofferraums und holte zwei Decken hervor.
Eine legte ich um die Frau. Sie war wieder zurück in die normale Welt gekehrt, schaute mich aus dunklen Augen an, zitterte dabei und flüsterte mit bebender Stimme: »Warum haben Sie das getan, Mister?«
»Ich mag es eben nicht, wenn Menschen sterben.«
Sie schaffte sogar ein Lachen. »Ha, was verstehen Sie denn davon? Was verstehen Sie schon von meinem Leben?«
»Vielleicht bald mehr als Sie denken.«
»Wieso?« Plötzlich flackerte Unruhe in ihrem Blick. »Was meinen Sie damit?«
Ich wartete bis Suko den Motor angelassen hatte. Das Gebläse stellte er sofort auf volle Kraft und so warm wie möglich ein. »Wir werden noch darüber reden.«
»Wo bringen Sie mich hin?«
»In meine Wohnung.«
Sie sagte nichts mehr und nickte nur. Dann drehte sie den Kopf zur Seite und fing an zu weinen.
Ich saß neben ihr, eingehüllt in die zweite Decke, und sagte nur:
»Gib Gas, Suko…«
***
Heiß und nicht nur warm war das Wasser der Dusche, das auf meinen Körper prasselte. Ich genoß die Wärme, denn die Kälte hatte ich lange genug erlebt. Trotz der Decke war mir kaum warm geworden, und ich freute mich schon auf den heißen Tee, den Shao uns zubereitet hatte. Sie war von Suko angerufen worden und hatte auch einen Bademantel für Ida Cobin mitgebracht, so hieß die Frau.
Sie wußte auch über uns Bescheid. Daß wir Polizisten waren, hatte sie kommentarlos zur Kenntnis genommen.
Ihre Kleidungsstücke lagen ebenso in meiner Dusche wie meine nassen Klamotten. Ida Cobin hatte vor mir geduscht. Sie war dankbar gewesen, ansonsten hatte sie sich mit irgendwelchen Kommentaren
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