1054 - Die Leibwächterin
schüttelte den Kopf. »Costello, verdammt. Lange genug ist es ruhig um ihn herum gewesen. Auch bei uns haben sich einige Dinge verändert. Sei mir nicht böse, wenn ich von deinen Landsleuten spreche, aber die Russen-Mafia breitet sich im Westen immer stärker aus. Jetzt scheint die Insel an der Reihe zu sein.«
»Das ist mir bekannt, John. Ich kann auch nichts dafür, wenn ich ehrlich bin. Es ist nun mal so. Wir müssen uns damit abfinden. Alles weitere wird sich ergeben.«
»Klar.« Ich hob die Schultern. »Trotzdem kann ich es nicht begreifen. Warum eine Frau? Warum eine Russin? Warum keine Person aus London und Umgebung?«
»Ich weiß es nicht. Allerdings hast du das Thema schon angedeutet. Es gibt wohl Verbindungen zwischen den einzelnen mafiaähnlichen Banden. So wird Costello Leute hier bei uns kennen, und umgekehrt wird es ebenso sein. Er läuft doch nicht auf den Ohren. Er wird erfahren haben, wie gut ausgebildet die Frauen hier sind. Da kann er sich einiges ausrechnen, meine ich. Vielleicht geht er auch davon aus, daß eine Frau nicht so auffällt wie ein Mann. Er wird sie wohl nicht unter dem Label einer Leibwächterin laufen lassen.«
»Da kannst du recht haben.«
»Deshalb habe ich dich ja auch gebeten, daß du mal eben rüberfliegst. Wie gesagt, Karina vertraut mir. Ich bin so etwas wie ein großer Bruder. Meine Freunde sind auch ihre Freunde. Da dachte ich mir, daß es ganz gut ist, wenn du Bescheid weißt. Du wolltest Costello immer an den Kragen. Karina hat den Job angenommen. Man kann keine bessere Informantin bekommen. Sie wird immer in direkter Nähe ihres Chefs sein und alles mitbekommen.«
»Das denke ich auch.«
»Karina wird nichts für sich behalten, John. Sie wird dich oder andere mit Informationen versorgen, das hat sie mir schon versprochen. Aber sie wollte dich erst kennenlernen und sich ein Bild von dir machen, bevor sie zustimmt.«
»Ich fliege heute abend wieder.«
»Weiß ich. Es bleibt auch nicht viel Zeit. Die aber wird reichen. Karina hat einen Blick für Menschen.«
»Wie heißt sie denn mit vollem Namen?«
»Karina Grischin.«
»Gut.« Ich trank einen Schluck. Noch immer hatte ich an den Eröffnungen zu knacken. Ich wußte nicht, was Costello plante, aber daß er sich eine Leibwächterin zugelegt hatte, das war mir neu. Ich fragte mich, wie diese Frau mit den anderen Typen zurechtkam, die ihn wie Hofschranzen umgaben. Da mußte Costello schon mit harter Hand regieren, um sich durchsetzen zu können.
Bisher hatte er es getan, obwohl er im Rollstuhl saß. So jedenfalls hatte ich ihn zuletzt gesehen, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß sich daran etwas geändert hatte. Zudem hätte ich es erfahren, wenn es innerhalb der Hierarchie in der Organisation Veränderungen gegeben hätte.
»Jetzt brummt dir der Kopf, nicht?«
»Siehst du mir das an?«
Wladimir nickte. »Klar. Würde mir doch auch so gehen. Ich habe nichts vergessen, John. Auch wenn wir uns nicht jeden Tag sehen, aber es gibt einfach zu viele Dinge auf dieser Welt, die uns gemeinsam etwas angehen.«
»Da hast du recht.«
Er schaute auf die Uhr. »Jetzt weißt du Bescheid, und ich denke, daß Karina gleich hier erscheinen wird.«
Er hatte das Wort kaum gesagt, als er mit dem Kopf an mir vorbeinickte. »Sie ist da!«
Ich drehte mich auf dem Stuhl um und stand wenig später auf, als Karina unseren Tisch ansteuerte. Sie hatte sich geduscht, sich auch umgezogen. Trug nun hellgraue Jeans und einen dunkelroten Pullover. Das Haar hatte sie zu einem Zopf gebunden, der seitlich an ihrer linken Gesichtshälfte herabhing. Sie war etwas geschminkt und wirkte wie eine völlig normale Frau und nicht wie eine Kämpferin und Leibwächterin.
Wir gaben uns die Hände. Der harte Druck stand im krassen Gegensatz zu ihrem netten Lächeln. »Ich freue mich sehr, endlich Wladimirs Freund kennenzulernen. Er hat mir einiges von Ihnen erzählt, John.«
»Hoffentlich war es nicht zu schlimm.«
»Nein, das war schon super.«
Karina nahm am Kopfende des Tisches Platz, so daß wir sie anschauen konnten. Sie hatte sich ebenfalls eine Dose Wasser mitgebracht, riß sie auf, trank und stöhnte. »Das tat gut.«
Wladimir tätschelte ihren Arm. »Wie geht es deinen Gegnern?«
»Sie haben es überlebt. Auch die Hartgummigeschosse. Zudem waren sie ja gepanzert.« Mit einer flüchtigen Handbewegung wischte sie über die Tischplatte hinweg und deutete an, daß das Thema für sie damit erledigt war.
»John ist bereits informiert«,
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