1054 - Die Leibwächterin
Geschäftsfrau. Sie lächelte, als wäre nichts geschehen. Trotzdem war die Anspannung auf dem von der Sonne gebräunten Gesicht mit den leicht hochstehenden Wangenknochen nicht zu übersehen. So einfach schüttelte sie den Streß nicht ab.
Vor uns blieb sie stehen. Auch ich erhob mich. Wladimir umarmte sie. »Du warst großartig.«
Ein Lächeln machte ihr Gesicht weich. »Ja, es war diesmal nicht so schwer. Es waren keine Unschuldigen in der Nähe, die hätten sterben können.«
»Andere hätten es nicht geschafft.«
»Ich gehe jetzt duschen – okay?«
»Tu das. Wir sehen uns in der Kantine.«
Erst als Karina gegangen war, sprach ich meinen Freund aus Rußland an. »Ist sie die beste von allen?«
»Eine der besten. Es gibt noch mehr. Bei ihr kommt hinzu, daß sie noch gut aussieht. Sie ist kein weiblicher Ringer, verstehst du! Karina kann der Auftraggeber überall mit hinnehmen. Er kann sie als seine Assistentin oder Sekretärin überall vorstellen. Sie spricht nicht nur drei Sprachen, sie ist auch sonst gut ausgebildet. Kennt sich mit dem Computer aus und weiß auch über betriebliche Abläufe Bescheid. Man hat sie schon gut trainiert. Das wirst du alles noch erfahren, wenn wir sie gleich in der Kantine treffen.«
Diese Kantine gehörte ebenso zum Ausbildungsgelände wie der Friedhof oder der Schießstand. Es gab Straßenansichten, in denen der Häuserkampf geprobt werden konnte, und es wurden simultan auch gefährliche Situationen in einem unübersichtlichen Gelände dargestellt. Das alles mußte so sein, denn nur wer in allem perfekt war, hatte die große Chance, einen Job zu bekommen.
Wir hörten sehr deutlich, daß auf anderen Teilen des Geländes trainiert wurde. Mal krachten Schüsse. Dann wummerten irgendwelche Detonationen. Wilde Schreie waren zu hören. Es gab kaum einen Unterschied zu einem Militärcamp.
Auf der Bank hatte Wladimir geredet. Jetzt war er recht schweigsam geworden. Ich konnte mir auch den Grund vorstellen, fragte ihn allerdings nicht danach. Zudem wußte ich noch nicht, weshalb ich am frühen Morgen nach St. Petersburg geflogen und von Wladimir am Flughafen abgeholt worden war. Grundlos war das bestimmt nicht passiert. Ich hoffte, daß mir mein russischer Freund bald einiges erklären würde. Daß mein Besuch auch mit Karina zusammenhing, stand für mich fest.
Die Kantine sah von außen aus wie ein Bunker, der aus Versehen über und nicht unter der Erde gebaut worden war. Grauer Beton, eine Eingangstür aus Eisen, kleine Fenster. Jedenfalls ein Gebäude, in dem es wohl keinen Spaß machte, sich länger aufzuhalten als unbedingt nötig.
Golenkow hielt mir die Tür auf. Nach ihm betrat ich den »Bunker« und fand mich in einem Flur wieder, von dem einige Türen abzweigten. Wir gingen auf die Tür mit einem aufgemalten roten Punkt zu. Der Fußboden war ebenso grau wie die Decke oder der draußen lauernde Himmel.
Kantinen sind im Prinzip ja selten gemütlich. Zumindest kenne ich keine dieser Art. Die Kantine auf dem Ausbildungsgelände war besonders »abschreckend«. Leuchtstoffröhren unter der Decke.
Bänke an den Wänden, auf denen einige Männer saßen und ihre Power Drinks in sich hineinschütteten. Wenig Tische. Harte Stühle aus Eisen und Holz, zerkratzte Tischplatten und eine Theke, hinter der eine dicke Frau in angeschmutztem weißem Kittel stand, mit beiden Händen einen großen Löffel festhielt und eine dicke Suppe durchrührte. Sie befand sich dabei in einem großen Topf. Der Geruch von Bohnen, Kraut und auch Knoblauch stieg mir in die Nase.
Vor der Theke blieben wir stehen. Wladimir fragte mich, ob ich etwas essen wollte.
Ein Blick in den Topf hatte mir gereicht. Ich wollte trotzdem nicht unhöflich sein und erklärte, daß ich schon im Flieger etwas zu essen bekommen hatte.
Mein Freund grinste. »Nett gesagt.«
»Was kann ich denn trinken?«
»Wodka.«
»Nein, danke.«
»Wasser?«
»Einverstanden.«
Golenkow ließ sich zwei Dosen geben. Es waren diese Energie-Drinks, allerdings durch Orangensaft geschmacksverstärkt. Er warf mir eine Dose zu, dann gingen wir zu einem leeren Tisch und ließen uns daran nieder. Zugleich rissen wir die Dosen auf.
Wladimir war ein gekonnter Trinker. Er hielt sein Gefäß! etwas vom offenen Mund weg und ließ sich das Zeug in die Kehle laufen.
Ich schaute zu, wie er das Getränk schluckte, ohne sich zu verschlucken. Das war schon kunstvoll gemacht.
Er stellte die Dose auf den Tisch und schüttelte den Kopf. »So, das hat
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