1057 - Vampirhölle London
nicht unterdrücken. »Was sollen wir denn tun? Die beiden Ufer der Themse überwachen? Das ist unmöglich.«
»Da gebe ich dir recht.«
»Na also.«
»Augenblick, ich bin noch nicht fertig. Man kann etwas anderes tun. Und zwar auf dem Fluß die Augen offenhalten. Die Wasserpolizei muß mit eingeschlossen werden. Ich könnte mir vorstellen, daß man die Auswahl der Schiffe sogar eingrenzen kann, ohne daß wir wissen, wie Costellos Boot aussieht. Ich glaube nämlich nicht, daß er mit einem Schlepper oder Containerschiff unterwegs ist. Da denke ich eher an eine Jacht. Und bei diesem Wetter sind nicht so viele unterwegs, als daß sie nicht auffallen würde.«
Nach meinem Vorschlag war es still. Zunächst nur. Dann nickte Sir James und sagte: »Wir haben zum Glück noch etwas Zeit, und deshalb sollten wir Johns Vorschlag in die Tat umsetzen.« Er schaute mich an und zwinkerte mir zu.
»Wie ich Sie kenne, John, würden Sie gern vom Wasser aus agieren.«
»Sir James, Sie haben mir aus der Seele gesprochen.«
Er stand auf. »Dann versuchen wir es auch mit dieser Möglichkeit…«
***
Der Tag war dabei, sich zu verabschieden. Die Wolken waren kurz zuvor ausgedünnt worden. Zuletzt hatte sich noch blauer Himmel gezeigt. Er hatte gegen die Dämmerung keine Chance. Sie schlich heran wie ein Dieb und schluckte das Tageslicht.
Die Zeit des Lichts war vorbei. Die Nacht griff an. Genau das spürten auch die Vampire unter Deck. Sie brauchten nicht erst nach draußen zu schauen. Sie fühlten es. Das war wie ein Kick, der ihre Körper erwischte.
Sie verloren ihre Starre, ihre langsamen Bewegungen. Das Herannahen der Dunkelheit gab ihnen Kraft. Sie wälzten sich zwar noch auf dem Boden herum, doch jetzt blieben sie nicht mehr liegen, denn der Drang in ihren Körpern war einfach zu groß geworden. Es hätte für sie keinen Sinn mehr gehabt, liegenzubleiben.
Sie brauchten die Bewegung, sie wollten nicht einrosten und geschmeidig werden, denn das war wichtig für die Jagd nach dem Menschenblut.
Logan Costello erging es nicht anders. Bewegung kam in die starre Gestalt im Rollstuhl. Seine zur Seite geneigte Haltung hatte sich in den vergangenen Stunden nicht verändert. Jetzt verschwand die Schlaffheit. Draußen war die Sonne nicht mehr zu sehen. Sie hatte beim Untergehen nur noch einen Rand am Himmel gerötet, und er zeichnete sich tief im Westen ab, wo er den Unterschied zwischen dem letzten Hell und dem einbrechenden Grau markierte.
Der Mafioso hob seinen Kopf. In seinem Gesicht bewegte sich die Haut. Wieder erschien das Muster aus Falten wie scharf hineingeschnitten. Die Lippen zuckten. Der Mund öffnete sich. Er sah aus wie jemand, der Luft holte, was aber nicht stimmte, denn über Lippen hinweg floß ein tiefes Stöhnen.
Die Augen bewegten sich. Costello suchte Mallmann. Er fand ihn nicht. Statt dessen verfolgte er mit seinen Blicken eine andere Person. Es war Tyra, die ebenfalls nicht mehr saß und sich in die Höhe gestemmt hatte.
Sie ging die ersten Schritte, denn auch sie wollte die Schwäche aus den Gliedern entfernen. Sie bewegte sich dabei langsam. Sie mußte die Beine anheben, um über die noch liegenden Gestalten hinwegzusteigen.
Zwei andere Kreaturen waren ebenfalls aufgestanden. Im Gegensatz zu Tyra bewegten sie sich ziellos hin und her. Die weibliche Untote wußte genau, wo sie hinwollte. Die Tür interessierte sie nicht. Sie ging auf die Seite zu, an der sich die Fenster abzeichneten und noch von den Vorhängen verdeckt wurden.
Es wurde Zeit, sie von den runden Glasaugen wegzuziehen. Tyras Finger griffen in den Stoff. Sie befreite gleich zwei Bullaugen von den Vorhängen.
Die Dunkelheit war noch nicht da. Aber die Dämmerung schaute durch die runden Augen in das Innere des Schiffs. Sie brachte glücklicherweise kein zerstörerisches Licht. Was in das Innere einsickerte, war eine graue Suppe, die sich zwischen den Wänden verteilte, den Blutsaugern aber nichts mehr tat und ihnen keine Kraft nahm.
Tyra zog auch den letzten Vorhang zur Seite, bevor sie sich wieder umdrehte. Ihr Blick fiel in den Raum hinein. Die meisten ihrer Artgenossen lagen noch. In dieser vom grauem Licht gefüllten Umgebung malten sich ihre Körper wie Wellen ab. Manche lagen krumm, andere gestreckt. Wieder andere waren damit beschäftigt, ihre Kräfte zu konzentrieren und sich aufzurichten. Wer es geschafft hatte, fiel auch nicht mehr zurück. Die bleichen Gestalten blieben auf den Beinen, suchten dabei noch nach Orientierung.
Es
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