1059 - Fels der Einsamkeit
vor Staunen der Mund offen stehen.
„Nicht gesprochen", wehrte Perry ab. „Zweimal hatte ich das Empfinden, daß er mir eine Warnung zukommen ließ. Das erstemal, kurz bevor Wido seine Sprengladung zündete, das zweitemal, als ich den Feldschirm aktiviert hatte. Es entstand plötzlich ein Gedanke in meinem Gehirn: So geht es nicht. Ich schaltete den Schirm wieder aus - und im nächsten Augenblick war ich in Sicherheit."
Geoffry schob auf seinem Arbeitstisch ein paar Blätter Schreibfolie ziellos hin und her, um Zeit zu gewinnen, während er seiner Verlegenheit Herr zu werden versuchte.
„Perry, ich bin kein Psychiater", sagte er schließlich. „Auch ich habe Respekt vor dem Felsen. Aber ich habe das Gefühl, du empfindest soviel Ehrfurcht vor ihm, daß du ihn für Dinge verantwortlich machst, die in Wirklichkeit deinem eigenen Verstand entspringen. Du sahst, wie dir der Hammer aus der Hand flog, als du versuchtest, ein Stück Stein abzuschlagen. Dein natürlicher Schluß: der Fels will nicht verletzt werden. Mit diesem Gedanken im Hintergrund deines Bewußtseins beobachtest du Wido bei der Vorbereitung der Sprengung. Was ist verständlicher, als daß dir plötzlich in den Sinn kommt, das könnte gefährlich sein? Und als der Feldschirm ringsum ein Donnerwetter auslöste - auf welch anderen Gedanken hättest du verfallen sollen?"
Perry lächelte matt. „Gut, Geoffry", lenkte er ein. „Ich höre, was du sagst, und gebe mir Mühe, zu glauben, daß du recht hast." Er spreizte die Hände zu einer versöhnlichen Geste. „Siehst du - es hat mir nur einer gefehlt, der mir gut zuredet."
Der Wissenschaftler blieb ernst.
„Nimm den Felsen trotzdem nicht auf die leichte Schulter", warnte er.
„Du solltest deine Metaphern von einem Fachmann überarbeiten lassen", bemerkte Perry trocken.
Geoffry ging auf den gutmütigen Spott nicht ein.
„Der Fels ist eines der unwirklichsten Dinge, mit denen ich es je zu tun gehabt habe", erklärte er. „Wir haben uns inzwischen einen Überblick über die relative Isotopenhäufigkeit dieser Welt verschafft. Mein Gott, wie grauslig verschieden von den Verhältnissen im Solsystem! Aber was soll man von den Population-II-Sternen anderes erwarten?"
Er erkannte, daß Perry ihm mit wachsender Ungeduld zuhörte, und kam prompt zur Sache.
„Damit waren wir in der Lage, eine Altersbestimmung an mehreren Gesteinsproben des Felsens durchzuführen."
„Wie habt ihr sie euch beschafft?"
„Abgebrochen", antwortete Geoffry. „Einfach so. Am Fuß des Felsens, unmittelbar über dem Boden, gibt es zahllose Unebenheiten. Man kann sich dort so viele Proben holen, wie man braucht."
„Und das Ergebnis?"
„Der Fels ist zwischen achthunderttausend und zwei Millionen Jahren alt."
Perry grinste spöttisch. „Lieber Himmel, diese wissenschaftliche Präzision läßt einen sprachlos! Da bleibt ja kaum ein Spielraum."
„Mach dich über uns nicht lustig". tadelte Geoffry. „Wir haben getan, was wir konnten.
Die RIH-Analyse ist nur überschlägig, und die eingesammelten Gesteinsproben waren von unterschiedlicher Zusammensetzung."
„Schön. Ihr habt ausgezeichnete Arbeit geleistet - nein, das meine ich ernst. Aber irgendwie sehe ich noch immer nicht..."
„Wir haben auch anderes Gestein im Tal untersucht", fiel ihm der Wissenschaftler ins Wort. „Es ist nicht nur größtenteils von derselben Art wie der Fels, sondern auch genauso alt."
Eine Zeitlang schwiegen beide. Als Perry schließlich zu sprechen begann, da hatte seine Stimme längst nicht mehr den leichten Klang wie bisher.
„Das ist ein eigenartiges Bild, das du da zeichnest. Vor achthunderttausend bis zwei Millionen Jahren stand der Talkessel voll von solchen schwarzen Monolithen?"
„Wenn es damals überhaupt ein Talkessel war, ja", nickte Geoffry.
„Und von all den Felsgiganten ist nur dieser eine übriggeblieben?"
„So sieht es aus. Nicht nur schlechthin übriggeblieben, sondern in seiner ursprünglichen Form unverändert erhalten."
Perry sah sein Gegenüber an. „Warum, Geoffry?"
Der Wissenschaftler hob die Schultern.
„Ich weiß es nicht."
*
Perry gönnte sich ein paar Stunden Ruhe. Das Erlebnis im Innern des Felsens hatte ihn stärker beeindruckt und mitgenommen, als er nach außen hin zugeben wollte.
Wahrscheinlich hatte Geoffry recht: die Warnungen, die er zu hören geglaubt und für Eingebungen gehalten hatte, waren weiter nichts als Produkte seiner überreizten Phantasie. Nicht der Fels hatte zu
Weitere Kostenlose Bücher