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106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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manchmal nur Minuten. Ramon fragte sich, ob Crow all diese Termine vereinbart hatte, oder ob die Senatoren und hohen Offiziere wirklich so zufällig auftauchten, wie sie vorgaben.
    Im Moment stand Steve Waters, Direktor der WCA vor dem Bücherregal und tat so, als höre er dem Telefongespräch nicht zu. Er hielt eine Biographie über General Patton in der Hand, blätterte sie jedoch nur geistesabwesend durch.
    »Er ist der Präsident, Sir«, antwortete Crow auf eine Frage aus dem Telefonhörer. »Und wenn ich die Stimmung in der Bevölkerung richtig einschätze, wird er das auch noch vier Jahre bleiben. So funktioniert nun einmal Demokratie.« Er hörte zu und lachte. »Ich bin sicher, Sie sind nicht der Erste, der diese Staatsform verflucht, Senator Bale. Wir sprechen uns dann später.«
    Crow legte den Hörer weg und sah Waters an, der das Buch ins Regal schob - an der falschen Stelle, wie Ramon genervt bemerkte - und sich setzte.
    »Sie sind heute ein gefragter Mann, General«, sagte Waters.
    Er war klein, dürr und hatte ein spitzes Rattengesicht. »Hat man Ihnen bereits interessante Vorschläge gemacht?«
    »Den einen oder anderen. Die Furcht vor Veränderungen ist groß in diesem Staat.«
    »Zurecht, wie ich glaube.« Waters legte seine schmalen Kinderhände auf die Knie. Aus WCA-Kreisen hatte Ramon einmal gehört, er würde gefangene Barbaren mit solcher Brutalität verhören, dass andere Agenten, die ihm zusehen mussten, ohnmächtig wurden. Niemand wollte mit ihm arbeiten, und er hatte es nur seiner Effizienz und seinem Ehrgeiz zu verdanken, dass er in dieser hohen Position gelandet war.
    »Mich interessieren weder die Europäer, noch diese ominösen Außerirdischen«, sagte er mit seiner weichen, leisen Stimme. »Der Kampf gegeneinander bindet die Ressourcen der beiden Parteien. Ich möchte allerdings wissen, welche Position der Präsident zu Takeo und seiner Cyborg-Produktion einnimmt.«
    »Sie haben seine Rede gehört. Der Präsident wünscht eine friedliche Koexistenz.« Crow wirkte immer ein wenig angewidert, wenn er mit dem WCA-Direktor sprach.
    »Ist der Präsident sich bewusst, welche Gefahr von diesen Cyborgs ausgeht? Nach unseren neuesten Erkenntnissen verfügt Takeo über erheblich verbesserte Produktionsmöglichkeiten. Seine Cyborgs sind von Menschen nicht zu unterscheiden; sie können sogar fremde Erinnerungen aufnehmen.«
    Crow biss in ein Stück Speck. »Dieser Prozess ist zwar noch nicht ganz ausgereift, aber schon jetzt müsste Takeo in der Lage sein, Cyborgs nach dem Modell eines Menschen zu konstruieren. Stellen Sie sich die Möglichkeiten dieser ultimativen Spione vor. Je nachdem, wen sie imitieren, könnten Sie in Geheimdienstzentralen, Forschungslabors oder Waffenlager eindringen. Sie würden sabotieren, intrigieren und vernichten. In den richtigen Händen wäre eine solche Cyborg-Einheit kriegsentscheidend. Mehr Kaffee?«
    Waters wirkte blass. »Nein, danke. Wenn Sie die Lage so dramatisch einschätzen, General, wieso unternehmen Sie nichts gegen Hymes' Irrsinn?«
    »Weil er der Präsident ist. Er glaubt, dass - und ich zitiere - der Boden der Freundschaft fruchtbarer als der Boden der Feindschaft ist. Takeo wird uns nicht angreifen, wenn wir mit ihm verbündet sind. Das ist seine Argumentation, der ich selbstverständlich folge.«
    Selbst für Ramon klang dieses Argument nicht schlüssig.
    Wieso sollte man eine Bedrohung tolerieren, wenn man die Möglichkeit hatte, sie auszuschalten? Noch einen Tag zuvor hätte Crow wohl ebenso argumentiert, aber seit seinem Treffen mit dem Präsidenten verhielt er sich seltsam. Seine Offenheit gegenüber den Briten und die Vehemenz, mit der er Hymes'
    umstrittenen Kurs verteidigte, wirkten gezwungen.
    Ramon verstand nicht, warum er so handelte. Jeder wusste, dass er Takeo am liebsten vernichten würde und die Engländer nur als Verbündete tolerierte. Wieso gab er das nicht zu?
    Hatten er und Crow vielleicht Zugang zu Informationen, die sie allen anderen vorenthielten? Gab es einen geheimen Grund für diesen Kurswechsel?
    Und da war noch etwas anderes, was Ramons Gedanken beschäftigte, während er hinter Crows Sessel stand und mit starrer Miene auf die Wand blickte. Crow hatte ein Horrorszenario heraufbeschworen, das ihm nach Juanitas Worten nicht mehr unwahrscheinlich erschien. McGovern und seine Einheit waren bei Takeo gewesen. Wer konnte sagen, was dort geschehen war?
    Ungeduldig wartete Ramon, bis Crow nach einem Termin mit einem schnauzbärtigen

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