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106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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er sich selbst, wenn sie wie Luftblasen aufstiegen und ihren Inhalt preisgaben. In Gedanken hinterfragte er die Entscheidungen eines Mannes, den er nie gekannt hatte, und dachte darüber nach, was er hätte anders machen können, damals, als seine erste Freundin ihn verließ oder an dem Tag, als sein Spähtrupp in einen Hinterhalt geriet und von Takeos Leuten getötet wurde.
    In seinen Träumen hörte er McGoverns Genick brechen.
    Früher hatte er nie geträumt; erst auf dem Weg zum Bunker war er im Schlaf zum ersten Mal gestorben. Das Gefühl hatte ihn so verstört, dass er in den nächsten Nächten ein Selbstdiagnoseprogramm laufen ließ, doch es fand keinen Fehler. Abgesehen von dem Speicherkristall mit McGoverns Erinnerungen gab es keine Veränderungen in seinem Gehirn.
    Mittlerweile hatte er sich an die Träume gewöhnt. Sie waren nur eine Nebenwirkung, die keine Bedeutung hatte.
    Durch die geschlossene Tür seines Quartiers hörte McGovern die Stimmen der anderen Männer. Er hatte sich verspätet, war nach seinem Treffen mit Juanita ziellos durch die Gänge spaziert und hatte über ihre Unterhaltung nachgedacht. Er war froh, dass sie ihn mochte, und hoffte, dass er die richtigen Worte gefunden hatte, um sie zu einem zweiten Treffen zu bewegen.
    Seine Hand lag bereits auf dem Türknauf, als ihm auf einmal klar wurde, dass es kein zweites Treffen geben würde.
    In nur wenigen Stunden würde er tot, nein, nicht mehr existent sein, und Juanita, je nachdem, wo sie sich aufhielt, auch.
    McGovern bedauerte das. Der Cyborg öffnete ungerührt die Tür und betrat das Quartier.
    Es waren alle da, Frank, Andrew, Will, Bruce und Mac.
    Driller lagen vor ihnen auf dem Tisch, einige Sprengstoffpakete stapelten sich daneben. Sie alle hatten den rechten Arm ihrer Uniformjacke hochgekrempelt. Als McGovern eintrat, beugte sich Frank gerade über Macs nackten Unterarm und zog mit einer Spezialzange den alten Identifizierungschip heraus. Die Zange hatte Andrew aus einem der medizinischen Labore gestohlen, die neuen ID-Chips stammten aus dem Lager. Der Private, der davor Wache schob, hatte keine Fragen gestellt, als McGovern mit einer kleinen Kiste das Lager verließ. Schließlich war er im Bunker bekannt und geachtet.
    »Schade, dass wir mit den Dingern nicht in den POTUS-Bereich rein können«, sagte Frank, als er Mac den neuen Chip einsetzte. Seine Satzbildung hatte sich verändert, war unpräziser und lockerer geworden. »Würde uns einigen Ärger ersparen.«
    »Ja«, sagte Mac. Er hatte als Mensch nicht viel geredet; als Cyborg beschränkte er sich auf einzelne Worte.
    McGovern setzte sich und krempelte seinen Ärmel hoch.
    Bruce nahm ein zweites Skalpell, ergriff seinen Arm und setzte die Klinge vorsichtig an. Sie schnitt durch die elastische Haut und bohrte sich tief in den Plysterox-Kunststoff hinein. Für einen Moment glaubte McGovern, Blut müsse aus der Wunde fließen, aber nur einige Nervendrähte waren darin zu sehen.
    Die alten Chips, an denen noch Knochenreste ihrer ursprünglichen Träger hingen, wurden achtlos auf den Tisch geworfen. Ohne Spezialzange hatte man sie in Los Angeles aus den Leichen herausbrechen müssen. McGoverns Arm schmerzte, wenn er daran dachte.
    »So«, sagte Andrew und schloss die Wunde mit einer Handbewegung. Plysterox war ebenso flexibel wie belastbar. In wenigen Minuten würde von dem Eingriff nichts mehr zu sehen sein.
    McGovern rollte den Ärmel hinunter und strich den Stoff glatt. »Sind alle bereit?«
    »Ja, Sir«, sagte Andrew. »Sämtliche Chips wurden ausgetauscht.«
    »Die Waffen sind geprüft und funktionstüchtig. Sprengstoffzünder sind auf eine Minute voreingestellt.« Will nahm zwei Driller und heftete sie an die Magnetplatten an seinen Hüften.
    »Gut.« McGovern nickte. »Jeder von euch hat den Plan abgespeichert. Gibt es noch Fragen?«
    Die Cyborgs schwiegen. Früher hatte Bruce diese Gelegenheit immer für einen letzten Witz genutzt; dieses Mal steckte er nur die Sprengstoffpakete in seine Weste.
    Frank öffnete die Tür, sah sich kurz um und gab das Startsignal. Einer nach dem anderen verließen sie den Raum.
    McGovern blieb einen Augenblick stehen, dann folgte er ihnen. Die Mission begann.
    ***
    »Natürlich setze ich die Befehle des Präsidenten um, Senator Bale. Dazu bin ich laut Verfassung verpflichtet.« Crow saß immer noch an seinem Schreibtisch, einen halb geleerten Teller mit Speck und Eiern vor sich. Zwischen Telefongesprächen und persönlichen Besuchen vergingen

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