106 - Schatten des Krieges
sie einfach weiter, brach ihren Widerstand mit einer einzigen Bewegung.
Sie wusste jetzt, dass McGovern kein Mensch war. Sein Arm war zu hart und die Hand, mit der er die Computer der Datenbank zerschmettert hatte, zeigte noch nicht einmal Abschürfungen.
»Die Reaktion erfolgt schneller als erwartet«, sagte er zu den anderen Cyborgs. »Damit verschiebt sich der Zeitplan um minus drei Komma zwei eins Minuten. Unverzüglich Update einfügen.« Sein Blick wurde für einen Moment glasig, als müsse er in sich gehen, um den Befehl auszuführen, dann kehrte er in die Gegenwart zurück. »Andrew, Will, Bruce, Mac: Sekundärziel Alpha. Frank, mit mir zum Primärziel. Sofortiger Aufbruch.«
Die beiden Gruppen trennten sich. Juanita drehte den Kopf, um den Weg der Dreiergruppe zu verfolgen, aber McGovern zog sie in einen Seitengang.
»Drei Minuten«, sagte sie. »Drei Minuten sind sehr viel Zeit bei einem solchen Unternehmen. Ihr kommt hier nie wieder raus.«
»Das wissen wir.« McGoverns Stimme klang unbeteiligt. Er und Frank bewegten sich im Gleichschritt durch den Gang, heraus aus dem tiefsten Bereich des Bunkers. Die Sirenen verstummten, hinterließen ein helles Klingeln in ihren Ohren.
»Dann ist das ein Selbstmordunternehmen?«
Die beiden Cyborgs antworteten nicht. Juanita dachte daran, wie beiläufig sich die Gruppen getrennt hatten, obwohl sie davon ausgehen mussten, sich nie wieder zu sehen. Bei dem Gedanken fröstelte sie.
»Wohin gehen wir?«, fragte sie, als sich das Schweigen in die Länge zog.
»Zum Primärziel«, antwortete McGovern. Er war der Einzige, der mit ihr sprach; selbst Frank, der ihr von dem Quartier an gefolgt war und sie schließlich überwältigt hatte, sagte nichts, wenn sie eine Frage stellte. McGovern antwortete jedes Mal, wenn auch nie ausführlich.
»Was ist das Primärziel?«
»Das wirst du sehen, wenn wir es erreichen.«
Juanita ließ sich ihre Frustration nicht anmerken, sondern konzentrierte sich auf den Weg. Sie wusste, dass überall im Bunker die Soldaten bewaffnet und mit Fotos der Cyborgs ausgestattet wurden. Wenn es zum Feuergefecht kam, musste sie bereit zur Flucht sein. Bis dahin bestand ihre Aufgabe darin, so viele Informationen wie möglich zu sammeln.
Sie sah zu McGovern auf. Es war ihr noch nie aufgefallen, wie groß er war.
»Wieso bin ich hier?«, fragte sie nach einem Moment. Sie sah ihn blinzeln, zur Decke blicken und dann zu ihr. In seinen Augen lag etwas Gehetztes, das nicht zu der Maschine passte.
Er hob die Schultern. »Ich weiß es nicht.«
***
Ramon duckte sich unter dem Drillerschuss. Betonstücke regneten auf ihn herab, als die Wand über ihm explodierte, und prallten dumpf von seinem Helm ab.
»Einheiten drei und vier, vorwärts!«
»Zwei und eins auf mein Kommando!«
Hektische Stimmen wechselten sich ab, wurden unterbrochen von Schreien, Explosionen und Flüchen. Die Luft war voller Staub und roch nach Schwefel. Rauchschwaden zogen vor ihm durch den Gang. Seine Statusanzeigen blinkten rot und grün, bildeten verwirrende Muster im Display des Helms. Er hätte ihre Bedeutung kennen müssen, aber alles, was er in der Grundausbildung gelernt hatte, wurde vom Donnern der Explosionen hinweggefegt.
Es war Ramons erstes Gefecht und er hatte Angst wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Er blickte am Türrahmen vorbei in den Gang. Wie Crow vermutet hatte, bewegten sich die Cyborgs auf die Reaktoranlagen zu. Zwei von ihnen hatte man bereits entdeckt.
Die Bunkersoldaten versuchten sie von den Reaktoren wegzutreiben und einzukesseln, aber das forderte hohe Verluste. Über den Helmfunk hörte Ramon ständig die Bitten um Verstärkung.
»Lieutenant«, sagte Captain Davies neben ihm. »Folgen Sie den Befehlen auf Ihrem Display und schließen Sie sich Einheit zwei an! Hier stehen Sie nur im Weg!«
»Ja, Sir.« Ramon blieb zögernd in der halbwegs sicheren Deckung des Türrahmens sitzen. Einheit zwei war die Bezeichnung für die elitäre 101. Luftlandeeinheit, die von Crow persönlich kommandiert wurde. Sie kämpfte an vorderster Front, also genau dort, wo Ramon nicht hin wollte.
»Gibt es ein Problem, Lieutenant?«, fragte Davies mit deutlicher Ungeduld.
»Ja, Sir. Das Display fällt ständig aus.« Die Lüge kam so spontan von seinen Lippen, dass sie ihn selbst überraschte.
»Zeigen Sie mal her.«
»Nicht nötig, Sir. Ich tausche es schnell aus.«
Bevor Davies reagieren konnte, sprang Ramon auf und lief geduckt in den Gang hinein, weg vom Lärm des
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