106 - Schatten des Krieges
Crow in den Helmfunk und wich aus, als zwei Geschosse unmittelbar neben ihm einschlugen. Er hatte den Verdacht, dass die Cyborgs Funksignale orten konnten. »Wie viele Männer können Sie entbehren?«
»Wie viele ich entbehren kann?« Davies Lachen klang unecht. »Keinen, Sir, ich brauchte eher noch zehn.«
»Es steht ein Attentat auf den Präsidenten bevor, Davies. Ändert das die Lage?«
Einen Moment herrschte Schweigen auf allen Frequenzen.
Crow sah die Silhouette eines Cyborgs neben einem silbernen Rohr auftauchen und schoss. Mit einem Knall entwich grauer Dampf aus dem Rohr. Der Cyborg verschwand.
»Kellerman, Brant, Parker, Jayne, zum General!«, hörte Crow Davies' späte Antwort.
»Danke, Captain!«
Die Soldaten waren grüne Punkte auf seinem Display. Sie bewegten sich vorsichtig an den Rohren entlang, gaben sich gegenseitig Deckung. Crow zuckte unwillkürlich zusammen, als Geschosse wie gelbe Leuchtraketen an ihnen vorbeirasten.
Zwei schlugen in das Rohr, aus dem der graue Dampf quoll, und brachten es zur Explosion. Eine Feuerlanze stach bis zur Decke. Zwei Soldaten taumelten als menschliche Fackeln aus ihrer Deckung. Der Cyborg, der Andrew Smiths Gesicht trug, war plötzlich hinter ihnen, lief mit und wurde geschützt von ihren Flammen.
Crow schoss ohne nachzudenken, streckte die brennenden Soldaten mit zwei Schüssen nieder. Für einen Moment stand Smith völlig frei, dann rissen ihn gleich drei Geschosse aus Raketenwerfern auseinander. Der Boden erbebte unter den Explosionen.
»Gut gemacht!«, brüllte Crow. »Vorrücken!« Er drehte sich um und nickte seinem aus drei Männern und einer Frau bestehenden Team zu. »Seht ihr? Genau so gewinnen wir diese Schlacht!«
»Ja, Sir«, antworteten sie gleichzeitig. Hinter den getönten Helmscheiben waren ihre Gesichter nur schemenhaft zu erkennen, aber ihre Stimmen klangen jung. Keiner von ihnen war ranghöher als ein Corporal.
Er hat mir Kinder geschickt , dachte Crow und unterdrückte ein Seufzen. An Davies Stelle hätte er genauso gehandelt. Der Schutz der Kraftwerke war wichtiger als das Leben eines einzelnen Mannes, auch wenn dieser Mann der Präsident war.
»Folgt mir«, sagte Crow. Geduckt lief er auf den Hallenausgang zu, immer begleitet von zwei Soldaten, die ihm Deckung gaben. Er war der einzige hohe Offizier, der so weit vorne kämpfte. Die Truppen honorierten das.
Er salutierte vor den beiden, als er den Ausgang erreichte, dann wandte er sich ab. An nachrückenden Truppen und verstörten Zivilisten vorbei, die man zum Wachdienst herangezogen hatte, lief er an der Spitze seiner kleinen Einheit auf den POTUS-Bereich, den Bereich des President of the United States zu.
Deshalb mussten sie die Datenbank der Lesegeräte vernichten , dachte er. Die Chips, die Zugang zum präsidialen Hauptquartier gewährten, wurden unter starken Sicherheitsvorkehrungen gelagert. Ein Diebstahl wäre sofort aufgefallen; den Bereich hätte man so schnell abgeriegelt, dass die Cyborgs keine Chance mehr gehabt hätten. So hatten sie seine Truppen auf die falsche Fährte gelockt.
Crow wurde langsamer, als er den Gang erreichte, der zu Hymes' Arbeitszimmer führte. Zwei Wachen lagen tot am Boden. Drillergeschosse hatten ihre Oberkörper zerfetzt.
»Habt ihr schon mal einen Mann getötet?«, fragte er seine Einheit, die sich bemühte, die beiden Leichen nicht anzusehen.
Nacheinander schüttelten sie den Kopf. »Nein, Sir.«
Er nahm einer Leiche den Driller ab und überprüfte den Ladestatus. »Dann wollen wir das heute auch nicht ändern. Ihr kämpft gegen Maschinen, vergesst das nie. Auch wenn sie wie Menschen aussehen, sind es nur ein paar Kabel und etwas Plastik.«
»Ja, Sir.«
»Dann zeigt ihnen, was richtige Menschen mit ihnen machen. Los!«
Crow trat in den Gang, einen Driller in jeder Hand. Seine Soldaten folgten ihm.
***
Nach den einsamen Tagen in der Wildnis kam Honeybutt die Aufregung im Medical Science Center beinahe unwirklich vor. Männer und Frauen hasteten durch die Gänge, eifrig darum bemüht, Aikos Leben zu retten. Während der Cyborg in einem angrenzenden Raum auf die Operation vorbereitet wurde, versorgte Sonja Tuckson die Wunden der Rebellin.
Zuerst reinigte sie Gesicht und Hände von Staub und Schmutz, dann trug sie ein transparentes Gel auf, das sich zwar unangenehm kühl anfühlte, aber den Heilungsprozess beschleunigte.
»Sieht schlimmer aus, als es ist«, versicherte die Wissenschaftlerin, die vergeblich einen Blick auf die fleckige
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