107 - Tanz der Furie
Unga durch eine magische Reise zu dem Friedhof der Namenlosen gelangt. Vielleicht war es seine letzte magische Reise gewesen.
Es dauerte nur Sekundenbruchteile, aber sie waren von ungeheurer Bedeutung. Dorian erlebte den Werdegang des Uri Sha'ani zum Schwarzen Yezdigerd nach, der Satanspriester den seinen zum Hermes Trismegistos. Nur einer von den beiden Geistern konnte den Schock überstehen. Für die beiden Männer dauerten die Momente Ewigkeiten. Für sie stand die Zeit still.
Der furchtbare Kampf begann, der Kampf ums eigene Ich.
Uri Sha'ani war für das Böse geboren. Er neigte schon als Kind zur Grausamkeit und zeigte einen abgrundtiefen Zynismus, der seine Eltern entsetzte. Seine Eltern, das waren der Kaufmann Levi Sha'ani aus Haifa und seine junge Frau Rachel, ein ehemaliges Mannequin. Beide wußten nicht, daß ein eifersüchtiger Nebenbuhler Rachel von einer Hexe hatte mit einem Fluch belegen lassen, als sie mit Uri schwanger war. Der Nebenbuhler konnte es nicht verwinden, daß die schöne Rachel sich für den Kaufmann Levi entschieden hatte. Der Fluch war es, der Uri Sha'ani schon im Mutterleib verdorben hatte. Er lernte leicht und spielend und war seinen Altersgenossen weit voraus. In der Volksschule wie in der sechsjährigen höheren Schule war er der Klassenbeste. Aber seine Mitschüler und auch seine Lehrer haßten und fürchteten ihn. Immer wieder geschahen grausige Sachen. Der Junge Uri quälte Tiere zu Tode, verprügelte Mitschüler und Mitschülerinnen grausam und folterte sie sogar.
Der Rektor der Bar-Levi-Schule verprügelte ihn bei einem solchen Anlaß, als er vierzehn Jahre alt war, derart, daß Uri ins Krankenhaus mußte. Er schlug Uri mehrere Zähne aus und brach ihm drei Rippen, außer sich vor Wut über das, was Uri angerichtet hatte.
Uri hatte aus Sadismus das hübscheste Mädchen seiner Klasse in der Gerätekammer der Schule an einer Bank festgebunden, sie geknebelt und ihr Salzsäure aus dem Chemielabor auf die Hände geträufelt, weil sie ihn nicht leiden konnte. Der Rektor war zufällig dazugekommen. Er bekam nicht einmal eine Verwarnung, als die Untersuchungskommission Fotos von den zerfressenen Händen des Mädchens sah. Uri sagte im Krankenhaus nichts zu dem Ganzen.
Nachdem er entlassen war, kam er in ein Internat für schwererziehbare Kinder. Levi verdiente gut. Er managte den Import von Landwirtschaftsmaschinen und -geräten und hatte auch im Außenhandel mit Agrarerzeugnissen seine Finger.
Uris böse Anlagen und seine Widerspenstigkeit sollten in dem Internat gebrochen werden. Es gab eine reichhaltige Auswahl von Strafen: Karzer, Prügelstrafe, Stubenarrest, Essensentzug, Entzug der kleinen Vergünstigungen, auf die so großer Wert gelegt wurde. In diesem Internat bogen die Erzieher auch die widerspenstigsten Jungen hin. Aber Uri nicht. Er wurde nur verschlagen und heimtückisch. Bald hatte er alle Jungen im Wohngebäude unter seiner Fuchtel. Sie gehorchten ihm aufs Wort. Nachdem er ein Buch über Aleister Crowley gelesen hatte, dem berühmten Schwarzen Magier, zog er im Internat einen Geheimbund auf. Schwarze Messen wurden gefeiert, bei denen Tiere zu Tode gequält und Jungen gegeißelt wurden.
Das Zimmer eines Lehrers ging in Flammen auf, nachdem er Uri beim Unterricht vor allen andern mit dem Rohrstock geschlagen hatte. Der Lehrer kam nur mit viel Glück mit dem Leben davon.
Von da an war Uri erst recht der ungekrönte König der Anstalt. Er war immer noch der Klassenbeste und erreichte den besten Notendurchschnitt, der in diesem Internat je erzielt worden war. Während die andern in der Abiturklasse alle wußten, welchen Beruf sie ergreifen wollten, hatte Uri sich noch nicht entschlossen.
Die üblichen Berufe reizten ihn nicht, nicht einmal die Verbrecherlaufbahn. Er wollte sich dem Bösen verschreiben. So grübelte und suchte er, hatte aber noch keinen Weg gefunden, seine unheilvollen Träume zu verwirklichen.
Uris Lieblingslektüre waren die Werke des Marquis de Sade und Bücher über Schwarze Magie. Der junge Uri machte magische Experimente, hatte aber bei seinen Beschwörungen nie Erfolg. Er besaß nur schlechte und unzureichende Quellen und war deshalb zum Scheitern verurteilt.
Seine, erste Beziehung zum anderen Geschlecht endete chaotisch. Uri liebte ein Mädchen, das er die Königin des Bösen nannte. Er hatte sie in seinen letzten Sommerferien, die er zu Hause verbrachte, kennengelernt. Sie war die Tochter eines Gelehrten, der als Kabbalist einen gewissen
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