1078 - Die Seth-Apophis-Brigade
entfernt und ragte zehn oder zwölf Meter weit in die Höhe. Auf der verfärbten Metallmasse erkannte sie Buchstaben, jeder so groß wie ein erwachsener Mensch. RINGW... las sie.
Die Erinnerung kehrte zurück. Dasselbe Schiff, das sie hatte landen sehen, als Pal und Vern drunten auf der Sohle des Talkessels nach der Lagune suchten! Warum war es zurückgekehrt? Hatte die Besatzung nachträglich erkannt, daß ein Mitglied des Wartungsteams auf Urma West zurückgeblieben war? War sie gekommen, um sie zu retten? Welch lächerlicher Gedanke! Auf einen Rettungsbedürftigen schießt man nicht mit einem Paralysator.
Der Mann kam herbei. Er kniete vor ihr nieder und lächelte. Die rechte Hand hatte er zur Faust geballt, als halte er etwas darin verborgen.
„Ich bin Kars Zedder", sagte er. „Ich bin froh, daß wir dich gefunden haben."
Sie stemmte sich auf den Ellbogen in die Höhe.
„Warum... seid ihr zurückgekommen?" brachte sie mühsam hervor. „Wie habt ihr den Absturz überlebt? Warum haben die Leute auf mich geschossen?"
„Du sprangst so hastig auf, daß sie fürchteten, du wollest sie angreifen", antwortete Zedder freundlich. „Es tut uns leid, daß das geschehen mußte. Aber du wirst bald verstehen, daß wir Anlaß haben, vorsichtig zu sein. Wir sind zurückgekommen, um dich zu holen. Und was den Absturz angeht - nun, es war in Wirklichkeit kein Absturz. Wir haben die Korvette nach der Landung zerstört, um ein Unglück vorzutäuschen."
Lin starrte ihn fassungslos an.
„Vorzutäuschen?" wiederholte sie. „Wen wollt ihr täuschen? Was soll das alles?"
„Ich habe nicht genug Zeit, dir die Sache im einzelnen zu erklären", sagte Kars Zedder. „Nimm ein Geschenk von mir, und du wirst alles verstehen."
Er beugte sich nach vorne und öffnete die rechte Hand. Lin sah ein kleines Ding, ein Insekt, nicht mehr als zwei Zentimeter lang. Es bewegte sich. Zedder streckte die Hand aus und berührte sie auf der Schädelplatte. Lin fühlte einen matten, ziehenden Schmerz. Sie schrie auf und griff sich zum Kopf. Das Insekt war verschwunden. Sie fühlte eine leichte Aufwölbung der Kopfhaut, eine kleine Beule.
„Was ist das?" schrie sie Zedder an. „Was für ein Teufelsding hast du ..."
Weiter kam sie nicht. Ihr Zorn, ihre Angst waren plötzlich verraucht. Tiefe, unnatürliche Ruhe überkam sie. Keine der Fragen, die ihr eben noch auf der Seele gebrannt hatten, erschien ihr mehr wichtig.
Zedder sah sie aufmerksam an.
„Ich danke dir", sagte sie. Seth-Apophis hatte einen weiteren Menschen in ihren Bann geschlagen.
*
„Ein bedauerlicher Unfall", sagte der Arkonide. „Wir können von Glück reden, daß die Besatzung überlebt hat. Sie fand das Relais und versuchte, es zu manipulieren. Es hätte wahrscheinlich noch Wochen gedauert, bis es ihr gelungen wäre, einen verständlichen Funkspruch abzusetzen. Welch ein Glück, daß die SNOWQUEEN die Signale des gestörten Relais empfing und richtig deutete."
Die SOL schwebte hoch über Urma West. Die Korvette mit der gefetteten Besatzung der RINGWORLD war soeben an Bord gekommen. Der Ilt hatte es sich nicht nehmen lassen, sich an der Rettungsaktion zu beteiligen. Er materialisierte neben Perry Rhodan.
„Was war die ursprüngliche Aufgabe der RINGWORLD?" erkundigte sich Perry.
„Eine Welt zu finden, auf der die SOL Vorräte aufnehmen kann", antwortete Atlan. „Wir sind knapp an verschiedenen Dingen. Warum sie ausgerechnet diese gottverlassene Welt anflog, auf der es nichts zu haben gibt, wird der Kommandant mir erklären müssen."
„Ist die Ursache des Absturzes bekannt?"
„Nicht aufgrund einer technischen Analyse, wenn du das meinst. Aber ich kann dir den Grund nennen." Der Arkonide sah Perry mit ernstem Blick an. „Du kennst die Geschichte der SOL. Zweihundert Jahre lang gab es keinerlei Wartung. Das Gerät verrottete. Es dauerte lange, bis das technische Verständnis unter der Besatzung soweit wieder geweckt war, daß wenigstens das Allerwichtigste an Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden konnte. Es war bei weitem nicht genug. Die SOL und ihre Einrichtung sind bis auf diesen Augenblick überholungsbedürftiges Gerät. Die RINGWORLD starb, wenn du so willst, an Altersschwäche."
Später kehrten Perry und der Mausbiber zu ihren Quartieren zurück. Guckys anhaltendes Schweigen war Perry längst aufgefallen.
„Du hast mit irgend jemand eine Wette abgeschlossen, daß du zwei Tage lang den Mund halten kannst, nicht wahr?" spottete er
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