1081 - Die Mutprobe
Hinter uns bewegten sich Suko und Mike Warner, der kaum still sein konnte und hechelnd atmete. Manchmal flüsterte er auch etwas, was wir nicht verstanden.
Das Grab des Hexenjägers Pretorius lag ziemlich weit hinten. Wir gingen recht schnell, denn Milena und ich hatten das Gefühl, daß die Zeit drängte.
»Er ist hier, Mr. Sinclair. Ich spüre ihn. Er ist auch nah, und ich merke, daß noch jemand anderer in diese seltsame Botschaft hineingeglitten ist.«
»Wer?«
»Das kann ein Mensch sein.«
»Die Frau…?«
Sie hob die Schultern. Dann faßte sie nach meiner Hand und hatte es plötzlich noch eiliger. Da sie meine rechte Hand nahm, gelang es mir nicht mehr, nach dem Kreuz zu fassen. Ich ließ mich von ihr weiterziehen. Es war schon bewundernswert, wie schnell die kleine Person neben mir laufen konnte. Den Kopf hatte sie nach vorn gestreckt und den Hals lang gemacht. Sie atmete schnell und hektisch, während sie immer wieder an meiner Hand zog, damit ich ihr folgte.
Das Grab des Hexenjägers stand nicht zusammen mit den anderen, sondern allein. In der Dunkelheit wirkte es auf uns wie eine breite und auch hohe Mauer, die uns die Sicht auf die Rückseite nahm.
Es war zu hören, wie Milena schnüffelte. »Riechen Sie es auch, Mr. Sinclair?«
Ich nickte. »Verwesung…«
»Genau. Er war hier!«
»Er ist hier!« Sie wies auf den Stein. »Ich weiß es. Vielleicht ist er schon wieder im Grab. Sie haben doch eine Lampe. Da…«
Der leise Schrei war nicht zu überhören. Und er war nicht von einem aus unserer Gruppe ausgestoßen worden, sondern hinter dem Grabstein aufgeklungen.
***
Sofort ließ ich Milenas Hand los. Ich bewegte mich so schnell wie möglich, lief an der von mir aus gesehen rechten Grabseite entlang und sah trotz der Dunkelheit eine Szene, die sich mir wie ein helles Bild einprägte.
Ich sah eine blonde Frau, die im Griff einer schrecklichen, irgendwie gesichtslosen Gestalt hing.
Eine Waffe sah ich nicht in den dunklen Klauen, aber auch so schwebte die Frau in Lebensgefahr.
Es hatte keinen Sinn, etwas zu sagen. Ich mußte handeln und überwand die uns trennende Distanz mit einem weiten Sprung. Es war auch keine Zeit mehr gewesen, die Beretta zu ziehen, deshalb ging ich das Ungeheuer mit den bloßen Händen an.
Am Kopf der Frau vorbei stieß ich meine Faust. Ich erwischte die Gestalt im Gesicht und auch am Hals. Somit stieß ich sie zurück und riß mit der anderen Hand die junge Frau los. Dabei ging durch den Druck der Klaue ihr Kleid in Fetzen, was mich nicht kümmerte. Mandy fiel zur Seite und prallte gegen den Grabstein.
Ich kümmerte mich um Pretorius, der sich wieder gefangen hatte. Es dauerte nur eine Sekunde und bestimmt nicht länger. In diesem Augenblick standen wir uns bewegungslos gegenüber. Ich nahm diesen fürchterlichen Anblick auf. Das widerliche Gesicht, halb verwest, aber noch vorhanden. Es zeigte sich nur aufgedunsen und hatte auch einen dunklen Schimmer.
Schrecklich der Anblick der zitternden Augen, und hinter ihm erschien plötzlich Suko, der dabei war, einen Kreis mit der Dämonenpeitsche zu schlagen.
So würde er uns nicht entkommen, aber wir irrten uns beide. Meine Hand befand sich auf dem Weg zur Waffe, als Pretorius aus dem Stand herumfuhr, dabei seinen rechten Arm ausstreckte und Suko voll am Kinn und am Hals erwischte.
Er hatte in dieser verdammten Nacht Pech. Er wurde zu Boden geschleudert, denn die Wucht war gewaltig gewesen.
Pretorius wollte sich um mich kümmern.
Er starrte dabei auf die Mündung der Beretta, die ich gezogen hatte.
Und dann schoß ich!
Zu verfehlen war er nicht, und das geweihte Geschoß hieb in seine Brust. Ich feuerte noch einmal, traf fast die gleiche Stelle und sah, wie er zurücktaumelte. Mit einer Klaue hielt er sich an der oberen Kante des Grabsteins fest, und ich ging davon aus, daß er auf der Stelle zusammenbrechen würde. Das passierte jedoch nicht.
Er drehte sich um seinen eigenen Grabstein herum, so daß er an die Vorderseite gelangte.
Ich blieb ihm auf dem Fersen. Suko war dabei, sich mühsam zu erholen, lag aber noch am Boden.
Um Mandy kümmerte sich Milena. So gab es nur Pretorius und mich, nahm ich an.
Ein Irrtum.
Es gab noch einen anderen.
Plötzlich löste sich Mike Warner von seinem Platz, an dem er gewartet hatte. Er hatte seinen großen Mentor gesehen, und nichts hatte ihn halten können.
Wie ein jubelnder Mensch lief er auf das Grab zu und genau in die Arme des Hexenjägers…
***
Ob es der letzte Teil
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