109 - Die Atemdiebin
auf hundert Meter heran waren. Die beiden äußeren Infanteristen nahmen daraufhin sofort die Gewehre in Anschlag.
Matt und Farmer warfen sich flach auf den Boden und zogen die eigenen Waffen. Selina blieb dagegen aufrecht stehen.
»Überlegen Sie gut, was Sie als Nächstes tun!«, schmetterte sie den Militärs entgegen. »Wollen Sie sich wirklich mit sämtlichen britanischen Communities anlegen?«
Colonel Dufaux wedelte längst mit den Händen herum und bedeutete seinen Leuten, die Gewehre zu senken. Nach einigem Zögern kamen seine Untergebenen der Anweisung nach. Daraufhin wanderten auch Driller und LP-Gewehr zurück ins Holster und auf den Rücken.
»Sind Sie lebensmüde, Capitaine?«, rief Village mit vor Aufregung gerötetem Gesicht. »Warum schleichen sie denn hier bei Nacht herum und kündigen ihr Kommen nicht über Funk an? Das wäre beinahe schief gegangen!«
»Hier laufen noch ganz andere Dinge aus dem Ruder!«, konterte Captain McDuncan hart. »Ihr Soldat braucht seine Waffe gar nicht mit dem Körper zu verdecken. Ich habe bereits gesehen, dass die Emitter zum Waffenbau benutzt wurden. Das passt zu unserem Verdacht, dass Ihre Community für Menschen verachtende Experimente an der Bevölkerung von Liion verantwortlich ist.«
»Was behaupten Sie da?« Villages haarloses Gesicht rötete sich bis zur Scheitellinie. »Das ist doch wohl unerhört! Wie können Sie es wagen, solche Anschuldigungen auszusprechen?«
Als ihm Selina mitteilte, worauf ihr Verdacht fußte, wich das Blut genauso schnell aus dem Gesicht des Technos, wie es zuvor hinein geschossen war. Bleich wie eh und je, öffnete er mehrmals den Mund, wie ein Fisch auf dem Trockenen, ohne einen Ton herauszubringen.
Colonel Dufaux wollte seinem Vorgesetzten gerade hilfreich zur Seite springen, da ertönte aus der Basilika ein fürchterlicher Schrei.
Der Streit zwischen den beiden Techno-Fraktionen verstummte augenblicklich. Sie alle sahen den Hügel hinauf, zu den dunklen Mauern, aus denen jetzt ein zweiter Schrei erklang. Ob er von Elon oder Noot stammte, ließ sich nicht ausmachen, aber eins stand fest: So schrie nur jemand in höchster Todesangst!
»Der Atemdieb!«, rief General Village. Ohne sich weiter um Selina, Matt und Corporal Andrew Farmer zu kümmern, befahl er seinen Männer den Sturm auf die Basilika.
Entschlossen stürmen sie den Hügel hinauf, doch die fünf Franzosen waren nicht allein. Matthew Drax und seine Begleiter blieben ihnen dicht auf den Fersen.
***
Lieutenant Peter Shaw sah gerade vom dem Elektronenmikroskop auf und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die müden Augenlider, als er das Klopfen zum ersten Mal hörte.
Zuerst schrieb er das Geräusch einer Überreizung seiner Nerven zu. Er hatte den ganzen Nachmittag damit zugebracht, die Daten aus St. Genis Laval auszuwerten und verschiedene Versuchsreihen mit den Nanobots durchzuführen, die Commander Drax unter den Fingernägeln des toten Barbaren gefunden hatte. Shaw hatte dabei einige interessante Entdeckungen gemacht, die er seinen Kameraden gerne mitgeteilt hätte, die aber nicht aufsehenerregend genug waren, um sie deshalb anzufunken.
Erst als sich das Klopfen wiederholte, dämmerte dem Lieutenant, dass jemand am Außenschott stand und um Einlass bat. Sofort fühlte er sich wie elektrisiert. Verdammt, das war doch hoffentlich kein Rollkommando der Franzosen, die ihm auf die Pelle rücken wollten?
Als er die Außenkameras überprüfte, entdeckte er jedoch nur eine einzelne Frau, die ihm sofort bekannt vorkam. Ja, das war die Blauhaarige, die eine Erkennungsmarke als Talisman trug. Was wollte die nur um diese Uhrzeit?
Lieutenant Shaw stellte aus verschiedenen Kamerawinkeln sicher, dass die Barbarin wirklich allein war, dann eilte er zum Außenschott im dritten Segment. Die Tür glitt zur Seite.
Amelie – der Name war ihm inzwischen wieder eingefallen – zog ihren Fellmantel, den sie heute trug, am Kragen zusammen und sah ihn zitternd an. »Ist Maddrax da?«, fragte sie mit leidender Stimme, als ob es um Leben oder Tod ginge.
Shaw verneinte. Und fügte nach kurzem Zögern hinzu, dass der Commander auch nicht vor dem Morgengrauen zurück erwartet würde.
»Kann ich bitte hier blieben?«, fragte sie, noch ein wenig wehleidiger als zuvor. »Mir ist kalt und ich weiß nicht, wohin heute Nacht.«
Shaw zögerte. Eigentlich war es nicht üblich, Zivilisten Obdach zu gewähren, andererseits konnte er sich erinnern, dass der Commander dieser Barbarin
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