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109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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aufgeschnappt haben konnte, doch ihm fehlte die Zeit, näher darüber nachzudenken. Denn ehe sich der Lieutenant versah, sprangen schon die Knöpfe ihres Mantel auseinander und entblößten einen schlanken, nur von einem hautengen Trikot bedeckten Körper.
    Shaw spürte, wie ihm der Hals eng wurde. Seine Ahnung hatte ihn also nicht gänzlich getrogen. Sie war fast nackt unter dem weichen Fell, das sie in einer eleganten Bewegung von den Schultern gleiten ließ. Das schillernde Material, das ihren Leib harmonisch umschloss, zeichnete jede einzelne Kontur nach.
    »Hey, so geht das nicht«, krächzte er nervös. »Wir kennen uns doch kaum! Außerdem bin ich im Dienst, und McDuncan wäre sicher nicht erfreut, wenn sie erfährt…« Peinlich berührt von der eigenen Hilflosigkeit brach Shaw einfach ab, doch seine Augen blieben weiter auf das Trikot geheftet, in dem er, je nach Lichteinfall und Perspektive, ein ganzes Spektrum sah, das von aquamarinblauen Meereswellen bis zum klaren Blau eines Sommerhimmels reichte.
    Obwohl ihm der überraschende Anblick für Sekunden den Atem raubte, wurde Shaws militärisch geschulter Verstand nicht völlig außer Gefecht gesetzt. Das schillernde Farbenspiel kam ihm sofort bekannt vor, doch bis er die Verbindung zu der Nanobot-Probe zog, war es längst zu spät.
    Amelies Anzug durchlief bereits ein Zittern. Noch ehe Peter Shaw aufspringen und fliehen konnte, rissen ihre Ärmel förmlich auseinander und schufen lange, sich windende Stränge, die ihm blitzartig entgegen spritzten.
    Der Lieutenant spürte, wie er an Hals und Gesicht getroffen wurde. Sofort hob er die Hände, um sich von den Nanobots zu befreien, doch die Bewegung erlahmte, noch ehe er richtig zugreifen konnte. Ein sanftes Prickeln durchlief sein Nervensystem und lähmte ihn auf einen Schlag.
    Weitere Strünke wuchsen aus dem Anzug hervor und saugten sich an ihm fest. Hände, Gesicht und Nacken waren rasch fest verknüpft, doch die Tentakel schoben sich auch unter seine silberblaue Uniform und breiten sich über Bauch und Rücken aus.
    Eingesponnen wie die Beute einer Spinne sah er sich bereits vergreist und ausgelaugt am Boden liegen, doch als es schon kein Entkommen mehr gab, erhielt Shaw die Kontrolle über seinen Körper zurück. Amelies Lächeln zeigte, dass er diesen Umstand ihrer Gnade zu verdanken hatte.
    »Ich will dir nicht schaden«, erklärte sie in freundlichem Ton. »Ich will nur, dass du mir hilfst. Mach, dass ich keinem Menschen mehr schaden muss, um mich selbst zu erhalten.«
    »Das will ich gern versuchen«, versprach der Offizier, »aber das würde viel besser gehen, wenn ich freie Hand hätte.«
    »Die hast du«, hielt sie ihm entgegen. »Der Anzug bietet dir genügend Spielraum. Und nun sag mir, was du brauchst.«
    »Mehr Informationen.« Die warme wabernde Masse, die überall an ihm klebte, ließ Übelkeit in Shaw aufsteigen. »Wer bist du? Und wofür brauchst du die Energie, die der Anzug für dich absorbiert?« Mühsam unterdrückte er den Wunsch, einfach schreiend um sich zu schlagen.
    Ein Hauch von Traurigkeit umspielte Amelies Lippen, bevor sie antwortete: »Ich weiß nicht viel mehr als meinen eigenen Namen. Und dass ich von den Männern und Frauen in St. Genis Laval zu dem gemacht wurde, was ich heute bin. Ein Monster, das anderen das Leben aussaugen muss, um nicht selbst zu zerfallen. Leider bin ich nicht in der Lage, mein Schicksal selbst zu ergründen. Und meine Peiniger kann ich ja schlecht fragen. Aber du kannst mir sicher helfen, wenn ich dich in das Labor führe, in dem ich erwacht bin.«
    »Kein Problem«, versicherte Shaw hastig. Die Angst davor, bereits unbemerkt geschädigt zu werden und innerhalb von Minuten oder Stunden um Dekaden zu altern, wühlte wie eine Eisenkralle in seinem Magen. Doch Panik brachte ihn nicht weiter. Er musste sich beruhigen und dann klug und überlegt handeln. Nur so besaß er eine Chance, möglichst glimpflich aus der Sache heraus zu kommen.
    »Ich begleite dich gerne, wohin du willst«, versicherte er so verbindlich wie nur möglich. »Es hätte doch gereicht, mich einfach zu fragen. Mich interessiert selbst, was hinter der ganzen Angelegenheit steckt.«
    »Oh, das glaube ich dir sogar«, sagte sie mit einem Lächeln, das plötzlich kalt und unpersönlich wirkte. »Aber warum soll ich ein Risiko eingehen, wenn ich dich auch völlig in meiner Gewalt haben kann?«
    Darauf gab es nicht mehr viel zu sagen. Widerstandslos folgte ihr Shaw in die Kanzel des EWATs.

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