1094 - Der Aibon-Drache
gewesen, das kann ich dir nicht oft genug sagen.«
»Es geht um den Drachen und um dein Haus. Er und das Haus hängen irgendwie zusammen.«
»Das meinst du?«
»Ich denke an die Bücher«, sagte ich.
»Die da unten stehen?«
»Ja. Ich habe in einem herumgeblättert. Es trug den Titel Drachenwelten.«
»Auch ein Erbe meiner verstorbenen Tante, das weißt du genau. Ich habe es mir nicht einmal angesehen. Da hast du schon mehr getan als ich. Wenn du mir irgendwelche Titel nennst, kann ich dir nicht einmal bestätigen, ob die entsprechenden Bücher dort überhaupt vorhanden sind. So ist das.«
»Ich fand es recht interessant. Das Buch war bebildert. Man kann sich dort die verschiedenen Drachen anschauen. Alle Kulturen haben sie in ihre Legenden eingepackt. Sie sehen unterschiedlich aus. Ob sie nun Flugdrachen sind oder Monster, die aus der Tiefe des Meeres kommen. Im Prinzip sind sie die großen Angstmacher. Menschen haben sich schon immer vor ihnen gefürchtet.«
»So schlau bin ich auch.« Chris versuchte, etwas Entspannung zu finden. Sie hatte den Körper zurückgedrückt und die Hände gegen ihren Hinterkopf gelegt.
»Ein Bild habe ich in besonderer Erinnerung behalten. Es war wirklich interessant.«
»Wie sah der Drache darauf aus? So wie unserer?«
»Es geht dabei nicht um den Drachen, Chris. Das Bild zeigte ihn und zugleich eine Frau. Sie saß auf einem Felsen, schaute den Drachen an und berührte dabei ein von oben nach unten reichendes Wellenmuster. Darüber schwebte der Drache. Durch das Wellenmuster hat die Frau Kontakt zu ihm bekommen.«
Chris schielte nach rechts. »Das Bild sagt mir nichts. Es scheint dir jedoch aufgefallen zu sein.«
»Weil es ebenso ungewöhnlich ist. Es hob sich von den anderen Bildern ab.«
»Und was hat es dir gesagt?«
»Ich denke, daß es die Frau auf dem Bild geschafft hat, Kontakt zu einer anderen Welt aufzunehmen, und zwar zu der der Drachen. Das soll die Zeichnung andeuten.«
Chris zeigte ein nachdenkliches Gesicht. »Damit kann ich beim besten Willen nichts anfangen. Das tut mir in der Seele leid. Sorry, aber ich stehe mehr mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen. Alles andere ist für mich Spekulation.«
»Das Bild zeigt meiner Ansicht nach, daß es jemand geschafft hat, Kontakt zur Drachenwelt zu bekommen. Immer vorausgesetzt, daß es sie gibt. Deine Tante hat dir die Bücher vererbt. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß sie mehr über die Drachen in Erfahrung gebracht hat als wir beide.«
»Mag sein, John, doch darüber habe ich nie mit ihr geredet. Ich kann nicht zustimmen und auch nicht absagen. Es ist nun mal so. Tante Edina ist eben anders gewesen als die meisten Menschen, wenn du verstehst, was ich meine. Sie wollte mit der Verwandtschaft nichts zu tun haben. Sie hat sich nie bei uns gemeldet, und umgekehrt ist es auch nicht passiert. Nur kam dann dieses Erbe, und das hat mich überrascht. Ich erbte das Haus.«
»Und damit auch den Drachen«, sagte ich.
Sie stöhnte auf. »Ja, auch ihn, wenn du so willst. Aber es ist mir trotzdem ein Rätsel. Alles brach an diesem Abend über mir zusammen. Erst der Blackout, dann sah ich den Drachen innerhalb der Schwärze und erlebte seine wahre Existenz mit dir zusammen. Alles hat seine verdammten Gründe, aber ich weiß nicht, wo ich sie suchen soll.«
»Bei der toten Tante.«
»Willst du sie ausgraben?«
»Nein, bestimmt nicht. Ich weiß nur, daß sie sich für Drachen interessiert hat. Zwangsläufig auch für die Welten, in denen sich die Drachen aufhalten. Ich weiß nur zu gut, daß es diese Welten gibt, Chris. Deine Tante könnte es auch gewußt haben.«
Chris Talbot war überrascht. Sie drehte sich so, daß sie mich anschauen konnte. »Ich will nicht sagen, daß du spinnst, John, aber was ich da gehört habe, kann nicht deine Meinung sein.«
»Doch!«
»Unsinn. Das gehört ins Reich der Fabel, der Märchen und auch der Legenden.«
»Die manchmal sehr real werden können. Das darfst du nicht vergessen, Chris.«
»Real wie die Bewohner – oder?«
»So ist es. Der Drache ist aus der anderen Welt in die unsere hinein gekommen. Es muß ein Schlupfloch gegeben haben. Einen bestimmten Kontakt, wie ich es auf dem Bild gesehen habe.«
»Die Frau…«
»Ja, und ich habe Beschwörungsformeln gelesen, Chris. Zwar habe ich sie nicht verstanden, sie waren in einer mir fremden Sprache geschrieben, aber ich könnte mir vorstellen, daß es Leute gibt, die diese Formeln begreifen. Die Frau auf dem Bild
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