1094 - Der Aibon-Drache
Armaturenbrett. »Gut, John, gut. Wenn ich jetzt sage, daß die Frau auf dem Bild meine Tante gewesen ist, würdest du da zustimmen?«
»Nein.«
»Warum das denn nicht?«
»Deine Tante Edina war nicht die Frau. Aber sie hat das Buch sehr genau studiert. Sie muß durch den Text genau erfahren haben, was sich dahinter verbirgt. So ist sie neugierig geworden, hat es ebenfalls versucht und Erfolg gehabt.«
»Ihr hat sich die Welt geöffnet?«
»Ja.«
»O ja«, stöhnte Chris, »das kriege ich nicht gebacken. Ehrlich nicht. Ist mir zu hoch. Warum habe ich das verdammte Haus nicht weihen lassen. Dann wäre alles perfekt gewesen, und wir hätten jetzt nicht den verdammten Streß. Wenn das so weitergeht, kriege ich die Krise. Vorausgesetzt, ich bleibe am Leben.«
»Das will ich auch. Deshalb müssen wir den Drachen vernichten. Solange er existiert, kannst du nicht zurück in dein Haus, Chris. Das muß dir auch klar sein.«
»Mittlerweile schon. Und wo soll ich leben?«
»Du kannst es dir aussuchen. In einem Hotel, in einer Pension, aber es gibt da noch eine dritte Möglichkeit.«
»Welche denn?«
»Bei mir.«
»Ha, das ist klasse. Habe ich mir fast gedacht.« Sie schaute mich an und nickte.
»Moment mal, Chris, ich weiß, was du jetzt denkst. Ich bin ein Mann, du bist eine attraktive Frau, und es wäre für mich unnatürlich, wenn ich keinen Gefallen an dir finden würde. Doch darum geht es nicht, meine Liebe. Ich möchte dich auch deshalb in meiner Nähe wissen, um dich zu schützen. Wenn dir der Drache auf der Spur ist, wird er es auch bleiben. Es gibt keinen Ort, an dem du ihm entkommen kannst. Du kannst flüchten, wohin du willst. Er wird dich immer finden, und da ist es besser, wenn ich an deiner Seite stehe.«
Sie brauchte nicht lange zu überlegen, um mir recht zu geben. »Ja, John, ohne dich hätte er mich vielleicht schon erwischt. Verdammt, allmählich fange ich an, meine Tante zu verfluchen. Ich bin sauer auf sie. Auf das Testament, auf die Bedingung, die ich nicht eingehalten habe und deshalb Tantchens Rache erlebe. Das ist so grausam, so verrückt, daß ich es selbst nicht glauben kann.«
»Aber du mußt dich entscheiden.«
»Habe ich schon.«
»Ich höre!«
»Könnten wir es nicht umgekehrt machen, John? Wir kehren wieder zurück in mein Haus. Dann sind wir zusammen. Dann kannst du mich beschützen. Ich weiß ja nicht, wo du lebst, aber in den TV-Serien haben Polizisten nie Häuser und immer nur Wohnungen.«
»Das ist bei mir ebenso.«
»Genau, John. Eine Wohnung ist…«
»Kann in diesem Fall besser sein, auch wenn sie in einem Hochhaus liegt wie meine. Auf dem gleichen Flur und direkt nebenan wohnt mein Freund und Kollege Suko mit seiner Partnerin. Beide sind eingeweiht wie ich. Wir bilden praktisch ein Team.«
»Das so komische Drachen und ähnliche Geschöpfe jagt?«
»Genau.«
Sie schüttelte den Kopf. »In was bin ich nur hineingeraten? Die letzten Stunden haben mein Leben völlig auf den Kopf gestellt. Erst Angst, dann Hoffnung, danach immer nur die Angst. So wie jetzt.«
»Fahren wir?«
»Ich verfluche meine Tante. Ich spucke auf ihr Grab, sollte es zu finden sein.«
»Das hat doch keinen Sinn.«
»Weiß ich, aber es mußte einfach raus.«
Es war verständlich. Ich ließ ihr noch etwas Zeit, um die Gedanken zu ordnen. Schließlich hatte sich Chris Talbot entschlossen.
»Also gut, fahren wir nach London rein. Aber ich möchte so schnell wie möglich wieder in mein Haus zurückkehren, auch wenn der Drachenfluch noch darauf lastet.«
»Das kannst du auch.«
»Und dein Freund unterstützt dich?«
»Bestimmt.«
»Du hast doch ein Handy, John. Willst du ihm keinen Bescheid geben und ihn schon einmal vorwarnen.«
»Nein, das ist nicht nötig. Wenn wir bei mir sind, werde ich ihm alles erklären.«
Chris nahm es jetzt gelassen. »So ist das Leben eben. Und an meine Termine darf ich erst gar nicht denken. Dann werde ich total verrückt.«
»Das Leben ist wichtiger.«
»Stimmt. Man merkt es immer leider nur dann, wenn es einem an den Kragen geht. Dann fahr mal weiter…«
***
Bis zum nächsten Stopp dauerte es nicht lange. Wir hielten an einer Tankstelle an und waren hineingerollt in das eisige gelbe Licht der Beleuchtung.
Zwar brauchte ich nicht zu tanken, aber Chris wollte sich etwas zu trinken kaufen. Sie schimpfte, weil sie kein Geld bei sich hatte, und so gab ich ihr etwas.
»Auch das noch. Abhängig zu sein. Trotzdem danke. Soll ich dir auch was
Weitere Kostenlose Bücher