1094 - Der Mann aus Haiti
eine Familie mit drei Kindern zu klein sind, die Häuser."
„Etwas klein geraten sind sie schon", meinte Eartha. „Aber vorläufig genügt es. Wir werden sicher nur ein Kind haben; mehr wollen wir gar nicht."
„Nun, ja, bei rund zehn Milliarden Menschen auf Terra sollte ich mich eigentlich schämen, drei Kinder in die Welt gesetzt zu haben." Der Händler zuckte die Schultern.
„Aber bei dem Aufschwung, den die Hanse in den letzten Jahren erlebt hat, werden bald immer mehr Menschen ihr Leben auf Raumschiffe und in Handelskontore verlegen. Man erzählt sich, daß wir sogar planen, Handelskontore in Andromeda zu eröffnen. Ein neuer Aufbruch. Aber für mich ist das nichts mehr. Ich hänge zu sehr an dieser Stadt und an meinem kleinen Geschäft."
*
Eartha Weidenburn hatte gerade die Hand auf das Papillar-Thermo-Schloß ihrer Haustür gelegt, als sie ihren Namen rufen hörte.
Sie drehte sich um und sah ihre Nachbarin zur Linken, Julia Maarten, im wildwuchernden Unkraut ihres Gartens am trennenden Zaun stehen. Das aufgedunsene Gesicht glänzte von Schweiß.
„Ja?" fragte Eartha distanziert, denn sie mochte die schwatzhafte und neugierige Hundertzweiundvierzigjährige nicht.
Julia wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht und trocknete ihn anschließend, indem sie ihn an ihrem prall gefüllten, schmuddeligen Hauskleid abrieb.
„Ein Paket!" stieß sie atemlos hervor. „Ein eingeschriebenes Interstellar-Paket für dich, Bella!" Sie drehte sich zu ihrem Haus um. „Hiram, wo bleibst du denn? Bella ist da! Nun bring doch endlich das Paket!"
Drüben öffnete sich die Tür.
„Ich komme ja schon, mein Schatz!" versicherte eine Männerstimme.
Gleich darauf trat ein großer, hagerer Mann mit blassem Gesicht blinzelnd ins Licht der Abendsonne.
Eartha hatte Hiram Saimer stets bedauert. Er wurde herumkommandiert und mußte sich beschimpfen lassen, weil er angeblich alles falsch machte. Vor dem Abschluß des Ehekonktrakts auf Lebenszeit war er Vermessungsingenieur gewesen, aber Julia Maarten hatte dafür gesorgt, daß er auf Berufe umsattelte, die er zu Hause vor dem Computer-Terminal ausüben konnte. So arbeitete er täglich vier Stunden als Statistiker und nochmals vier Stunden als Materialverwalter und machte praktisch die ganze Hausarbeit, auch wenn sich das im Jahre 321 NGZ auf wenige Handreichungen beschränkte.
Stirnrunzelnd sah Eartha ihm und dem etwa sechzig mal fünfzig mal dreißig Zentimeter großen Metallplastikkasten entgegen, den er auf beiden Unterarmen trug. Sie wollte schon zum niedrigen Zaun gehen, um es ihm abzunehmen, als sie sah, daß Julia kehrtmachte, ihrem Mann entgegenlief und leise auf ihn einredete.
Daraufhin blieb Hiram auf dem Plattenweg, der von Julias Haus zum an der Straße befindlichen Gartentor führte - natürlich von seiner Frau begleitet.
Eartha seufzte.
Sie wußte, daß Julia sich vorgenommen hatte, den Inhalt des Pakets zu sehen - und sie wußte auch, daß sie ihr Ziel erreichen würde. Natürlich könnte sie das vereiteln, aber dann müßte sie handgreiflich werden - und fortan würde Julia die wildesten Gerüchte im gesamten Wohngebiet über sie verbreiten. Eartha aber wollte in Frieden leben. Deshalb beschloß sie, nachzugeben.
Soweit mit ihren Gedanken gekommen, fragte sie sich, was in dem Paket sein könnte.
Sie entsann sich nicht, irgendwo eine Bestellung aufgegeben zu haben. Der Stoff und die Lebensmittel, die sie auf dem Marche Fer gekauft hatte, waren inzwischen längst per Rohrpost angekommen. Außerdem hatte Julia von einem Interstellar-Paket gesprochen.
Hirt...?
Die Hanse-Karawane, mit der er aufgebrochen war, mußte sich seit Monaten im Kugelsternhaufen M13 befinden. Sie sollte dort nicht nur Arkon, sondern noch zahlreiche andere Welten anfliegen und erst im November wieder zum Rückflug über den Abgrund des galaktischen Halos und der galaktischen Ebene starten - über einen 34.000 Lichtjahre breiten Abgrund.
Eartha hoffte, daß Hirt noch vor der Geburt ihres Kindes wieder bei ihr sein würde. Der Termin war von ihrem Arzt mit Mitte November benannt worden.
Julia stieß eine Verwünschung aus, und Eartha sah, daß sie einen ihrer niedergetretenen Hausschuhe verloren hatte. Sie ließ sich dadurch jedoch nicht aufhalten, sondern hinkte mit einem nackten Fuß neben ihrem Mann her und jammerte über spitze Steine, die sich angeblich in ihre Fußsohle bohrten.
Hiram Saimer blieb dicht vor Eartha stehen, neigte den Kopf und sagte: „Guten Tag,
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