1098 - Der steinerne Bote
Kommandozentrale zurückgekehrt. Die Taster hatten inzwischen den Umriß des fremden Fahrzeugs ermittelt und stellten ihn auf einem Videogerät dar. Das Schiff hatte die Form eines schlanken Projektils. Der Bug war spitz wie eine Nadel. Heckwärts verdickte sich der Rumpf zunächst nur zögernd, war in der Mitte des Fahrzeugs eine beträchtliche Strecke weit von konstantem Durchmesser und stülpte sich unmittelbar vor dem Heck ein weiteres Mal auf. Bemerkenswert war eine Vielzahl von Trag- und sonstigen Kontrollflächen, die darauf hinwies, daß das Schiff für Flüge in planetarischen Atmosphären ebenso gedacht war wie für die Durchquerung des Alls.
Das Schrillen der Warnanlage war verstummt! Die NARDU hatte ihre Feldschirme ausgefahren. Ein Computer verfolgte den Kurs des fremden Raumschiffs und spielte die wichtigsten Daten auf ein Sichtgerät. Der Unbekannte war knapp zwei Astronomische Einheiten entfernt und näherte sich mit einer Geschwindigkeit von 40 Prozent Licht.
„Kontakt?" erkundigte sich Tedr Kosmas, nachdem er seinen Platz eingenommen hatte.
„Insgesamt drei erfolglose Versuche", antwortete Minar Cedi, ohne den Blick vom Datenbildschirm zu wenden. „Sie wollen nichts von uns hören."
Tedr verfolgte die Daten zwei Minuten lang. Es gab keinen Zweifel: der Fremde hielt geradewegs auf die NARDU zu. Bislang machte er keine Anstalten, seine Fahrt zu verringern. Seine Weigerung, auf Minar Cedis Funksignale zu reagieren, ließ nur einen Schluß zu: Er kam, um das terranische Schiff anzugreifen.
Auf dem Orterbild musterte Tedr Kosmas die Umgebung der NARDU. Es gab verschiedene Möglichkeiten zu reagieren. Er konnte ausreißen. Sein Schiff war dem Fremden an Beschleunigungsvermögen überlegen, darauf wäre er eine Wette eingegangen. Durch die Flucht entzog er sich der Notwendigkeit, sich gegen den Angriff wehren zu müssen. In Waylon Javiers Buch verdiente er sich damit einen Bonuspunkt; denn Gewaltlosigkeit war der Wahlspruch des Unternehmens, und wer ausriß, um einen Kampf zu verhindern, der lud keinen Makel auf sich.
Aber Tedr Kosmas war nicht nach Ausreißen zumute. Nachdem er das Orterbild, das das Gewimmel kosmischer Trümmerstücke in der Nähe der NARDU wie eine Sternenkarte darstellte, geraume Zeit studiert hatte, stand sein Plan fest. Seine Befehle kamen knapp und dennoch präzise, Schlag auf Schlag.
„Space-Jet KALIBUR und SIGMA: Mannschaft an Bord und klar zum Ausschleusen!
Minar Cedi: fünfzehn Mann Hauptschleuse, Seruns, Bewaffnung, fertigmachen zum Entern! Technisches Labor zwo: Gravopuls-Generator fertig zum Einsatz..."
Er sprach mit der Bestimmtheit eines Mannes, der am Plan für dieses Unternehmen monatelang gearbeitet hatte und mit jeder, auch der winzigsten Einzelheit bis ins letzte vertraut war. Und während er sprach, ging mit seinem Gesicht eine merkwürdige Veränderung vor sich. Fältchen erschienen in den Augenwinkeln, die Augen begannen zu leuchten. Der Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. Das Kinn schob sich nach vorne. Man sah Tedr Kosmas an, daß ihm die Sache Spaß machte. Sein Blick verfolgte den Reflexpunkt des fremden Raumschiffs, der langsam auf das Zentrum der Orterbildfläche zuwanderte, und die funkelnden Augen schienen zu sagen: Warte nur, du sollst dein blaues Wunder erleben!
Minar Cedi hatte ihren Posten verlassen, um die Anweisung auszuführen, die ihr zuteil geworden war. Vania Letoq hatte ihren Platz eingenommen.
„Komsystem hochfahren", trug Tedr ihr auf. „Sobald ich das Zeichen gebe, stellst du eine Verbindung mit der BASIS her."
Vania warf ihm einen erstaunten Blick zu. Sie wußte, warum das Kommunikationssystem deaktiviert worden war. Aber Tedr nahm ihr Staunen nicht zur Kenntnis. Sie tat, wie ihr aufgetragen war. Eines nach dem ändern erwachten die Subsysteme des umfangreichen Hyperkom-Komplexes wieder zum Leben.
Die NARDU nahm Fahrt auf. Sie bewegte sich auf den Fremden zu, sie glitt ihm entgegen. Das mochte ihm zu denken geben. Er würde ein paar Sekunden brauchen, um zu ermitteln, daß das terranische Schiff nicht genau auf ihn zielte, sondern auf einen Punkt, der um ein paar hunderttausend Kilometer seitwärts lag. Er würde eine Kurskorrektur vornehmen und sich damit genau in die Position hineinmanövrieren, in der Tedr Kosmas ihn haben wollte.
Während die Minuten verstrichen, wuchs die Spannung. Die Vorbereitungen, die Kosmas angeordnet hatte, waren abgeschlossen. Ein weiterer Versuch, Funkverbindung mit dem fremden
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