11 - Die Helden des Westens
Mitte der Häuptling einnahm. Der Gefangene mußte sich ihnen gegenüberstellen. Zu seinen beiden Seiten nahmen zwei Wächter Platz, welche ihre Messer in den Händen hatten.
Dieser letztere Umstand war für Wohkadeh höchst bedenklich. Es war aus demselben zu ersehen, daß sich seine Angelegenheit für ihn verschlimmert habe. Dennoch aber sah er dem Verhör in aller Ruhe entgegen.
Nachdem die Augen der Anwesenden ihn mit finsteren Blicken eine Weile beobachtet hatten, begann der Häuptling:
„Wohkadeh mag nun erzählen, was er seit dem Augenblick, an welchem er uns verließ, erlebt hat.“
Wohkadeh folgte der Aufforderung. Er brachte das Märchen vor, daß er von den Schoschonen bemerkt und gefangengenommen worden, von den gefangenen Weißen aber befreit worden war. Er erzählte das möglichst im Tone der Wahrheit, mußte aber doch bemerken, daß man ihm keinen Glauben schenkte.
Als er geendet hatte, verlor niemand ein Wort darüber, ob man ihm glaube oder nicht. Der Häuptling fragte:
„Und wer sind diese vier Bleichgesichter?“
Wohkadeh nannte zunächst Jemmys und Davys Namen und stellte es als eine Ehre für die Sioux hin, daß so berühmte Jäger zu ihnen gekommen seien.
„Und die beiden anderen?“
Diese Frage brachte Wohkadeh freilich nicht in Verlegenheit. Er hatte sich bereits überlegt, was er sagen solle. Er nannte für Frank einen Namen und gab Martin für den Sohn desselben aus. Der Häuptling zuckte mit keiner Miene, fragte aber:
„Hat Wohkadeh vielleicht erfahren, daß der Bärentöter einen Sohn hat, welcher Martin heißt?“
„Nein.“
„Und daß bei ihm ein Mann wohnt, welcher Hobble-Frank genannt wird?“
„Nein!“
Er behielt seine äußere Ruhe bei, obgleich er jetzt innerlich überzeugt war, daß sein Spiel nun ein verlorenes sei. Jetzt aber donnerte der Häuptling los:
„Wohkadeh ist ein Hund, ein Verräter, ein stinkender Wolf! Warum lügt er noch? Denkt er vielleicht, wir wissen nicht, daß Frank und der Sohn des Bärenjägers sich als Gefangene bei uns befinden? Wohkadeh hat diese beiden und auch die anderen herbeigeholt, um die Gefangenen zu retten. Er soll nun auch ihr Schicksal teilen. Die Versammlung wird heute am Lagerfeuer beraten, welch eines Todes er sterben soll. Jetzt aber mag er so festgebunden werden, daß die Riemen sein Fleisch durchschneiden!“
Er wurde fortgeführt und wirklich so fest geschnürt, daß er hätte laut aufschreien mögen. Nach kurzer Zeit band man ihn aufs Pferd, denn es sollte aufgebrochen werden. Dasselbe geschah auch mit den anderen Gefangenen, doch kam er nicht in die Nähe derselben, sondern er wurde fern von ihnen gehalten und bekam zwei Krieger als besondere Bedeckung.
Es war traurig anzusehen, wie armselig und matt Baumann und seine fünf Schicksalsgenossen in ihren Fesseln zu Pferde saßen. Wären sie nicht mit den Füßen angebunden gewesen, so wären sie vor Erschöpfung von den Tieren gestürzt.
Davy flüsterte darüber seinem Jemmy einige mitleidige Worte zu. Der Dicke antwortete:
„Nur kurze Zeit Geduld, Alter! Ich müßte mich sehr irren, wenn Old Shatterhand nicht bereits in unserer Nähe wäre. Was wir erst jetzt eingesehen haben, nämlich daß wir die schrecklichsten Dummköpfe sind, das hat er jedenfalls bereits heute früh gewußt. Jedenfalls kommt er uns mit einer Anzahl Roter nach, und da habe ich denn gesorgt, daß er auf unsere Fährte kommt.“
„Wieso?“
„Schau her! Ich habe mir da einen Fetzen vom Pelz gerissen und mit Hilfe der Zähne in kleine Stückchen zerzaust. Da drin, wo wir gelegen haben, habe ich ein solches Stückchen zurückgelassen, und während des Rittes werde ich von Zeit zu Zeit eins fallen lassen. Sie bleiben liegen, denn es geht kein Wind. Kommt Old Shatterhand nach diesem verteufelten Gebäude, so findet er ganz gewiß das Pelzstückchen, und wie ich ihn kenne, wird er sofort wissen, daß in dieser Sommerhitze nur der dicke Jemmy mit einem Pelz dort gewesen sein kann. Er wird weiter suchen, die anderen Stücke finden und also erfahren, welche Richtung wir eingeschlagen haben. Das ist für ihn mehr als genug.“
Der Zug der Sioux folgte nicht der Richtung des Flusses. Für sie wäre das ein Umweg gewesen. Sie ritten nach den Höhen zu, welche den Namen ‚Elefantenrücken‘ tragen, und wendeten sich dann in gerader Richtung nach der langgezogenen Höhenfolge, welche die Wasserscheide zwischen dem Atlantischen Ozean und dem Stillen Meer bildet.
Der dicke Jemmy hatte nicht ganz
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