11 - Die Helden des Westens
geschlungen hatte. In demselben steckten zwei Revolver und das Bowiemesser. Außerdem hingen daran der Kugelbeutel, eine Tabaksblase, eine zusammengenähte Katzenhaut, zur Aufnahme des Mehles bestimmt, das Präriefeuerzeug und noch verschiedene andere Gegenstände, deren Bestimmung für jeden Uneingeweihten ein Rätsel war. Auf der Brust ruhte, an einem Riemen hängend, die Tabakspfeife – aber was für eine! Sie war das eigene Kunstwerk des Jägers, und da er sie schon längst bis vor an den Kopf abgebissen hatte, so bestand sie jetzt nur noch aus dem letzteren und einem Holunderstück, aus welchem das Mark entfernt worden war, um es hohl zu machen. Der Lange hatte nämlich als sehr leidenschaftlicher Raucher die Gewohnheit, das Rohr zu kauen, wenn ihm einmal der Tabak für längere Zeit ausgegangen war.
Zu seiner Ehrenrettung muß bemerkt werden, daß sein Anzug nicht etwa nur aus den Schuhen, der Hose, dem Jagdhemd und dem Hut bestand. O nein; er trug außerdem noch ein Stück, welches sich nicht jedermann beschaffen kann, nämlich einen Gummimantel, und zwar einen echt amerikanischen, nämlich von der Sorte, welche gleich beim ersten Regen auf die halbe ursprüngliche Länge und Weite zusammenschrumpft. Weil er ihn aus diesem höchst einfachen Grund nicht mehr anziehen konnte, hatte er ihn wie eine Husarenjacke höchst malerisch an einer Schnur um die Schultern gehängt. Außerdem trug er ein zusammengeschlungenes Lariat (Lasso), welches von seiner linken Achsel nach der rechten Hüfte herabhing.
Vor sich, quer über die Beine gelegt, hatte er eine Büchse in der Hand, eine jener langen Rifles, mit denen der erfahrene Jäger niemals sein Ziel verfehlt.
Wie alt dieser Mann war, das konnte man ihm unmöglich ansehen. Sein hageres Gesicht zeigte unzählige Falten und Fältchen, und doch hatte es einen beinahe jugendlichen Gesamtausdruck. Aus jedem Fältchen schien ein Schälkchen, aus jeder Falte ein Schalk herauszublicken. Das Gesicht war trotz dieser Runzeln und Runzelchen und trotz der unwirtlichen Gegend, in welcher er sich befand, vollständig glatt rasiert, denn es gibt viele, sehr viele Westmänner, welche gerade darin ihren Stolz suchen. Die großen, himmelblauen, weit geöffneten Augen hatten jenen scharfen Blick, den man bei Seeleuten und Bewohnern weiter Ebenen zu beobachten pflegt, und doch hätte man diesen Blick gern mit dem Ausdruck ‚kindlich-treu‘ bezeichnen mögen.
Das Maultier war, wie bereits erwähnt, nur scheinbar schwach; es trug den schweren, knochigen Reiter mit Leichtigkeit und zeigte zuweilen sogar Lust, gegen den Willen des letzteren einen kurzen Streik in Szene zu setzen, wurde dann aber allemal so kräftig zwischen die ewiglangen Schenkel des Gebieters genommen, daß es den Widerstand schnell aufgab. Diese Tiere sind wegen ihres sicheren Schrittes beliebt, aber auch bekannt wegen ihrer Neigung zur störrischen Widersetzlichkeit.
Was nun den anderen Reiter betrifft, so mußte es bei der Glut, mit welcher die Sonne niederbrannte, auffallen, daß er einen Pelz trug. Freilich, wenn durch irgendeine Bewegung des Dicken dieser Pelz einmal zurückgeschlagen wurde, so zeigte es sich, daß der letztere ganz bedenklich an hochgradiger Haarlosigkeit litt. Es gab nur stellenweise ein kleines, lichtes Büschel, geradeso, wie in der unendlichen Wüste nur hier und da eine arme Oase anzutreffen ist. Selbst Kragen und Aufschläge waren so sehr belichtet, daß es mehr als talergroße nackte Stellen gab. Unter diesem Pelz blickten rechts und links riesige Aufschlagestiefel hervor. Auf dem Kopf trug der Mann einen breitrandigen Panamahut, der ihm viel zu weit war, so daß er ihn, um nur aus den Augen sehen zu können, weit in das Genick hinunterschieben mußte. Die Ärmel des Pelzes waren so lang, daß man die Hände nicht sehen konnte. So war also das Gesicht des Reiters das einzige, was man von ihm sah; aber dieses Gesicht war es auch wert, daß man es genau betrachtete.
Es war auch glatt rasiert; keine Spur von Bart war zu sehen. Die roten Wangen waren so voll, daß das Näschen nur einen fast erfolglosen Versuch machen konnte, zwischen ihnen zur Geltung zu kommen. Ebenso erging es den kleinen, dunklen Äuglein, die zwischen Brauen und Wangen tief versteckt lagen. Ihr Blick hatte einen gutherzig-listigen Ausdruck. Überhaupt stand auf dem ganzen Gesicht geschrieben: „Schau mich mal an! Ich bin ein kleiner, prächtiger Kerl, und mit mir ist sehr gut auszukommen; aber brav und verständig
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