11 - Die Helden des Westens
ja.
Zunächst galt es, sich an den Qualen, welche die bloße Verkündigung des Urteils den Gefangenen bereiten mußte, zu weiden. Darum wurde ein Kreis gebildet und zunächst Wohkadeh vorgeführt.
Er wußte natürlich, daß ihm der sichere Tod beschieden war, aber er glaubte keineswegs, daß das Urteil bereits jetzt an ihm vollzogen werden solle. Er war überzeugt, daß Old Shatterhand und Winnetou sehr bald erscheinen würden, und stellte sich getrosten Mutes vor seine Richter hin.
Die Verhandlung wurde mit lauter Stimme geführt, damit auch die anderen Gefangenen, soweit sie die Sprache der Sioux verstanden, alles hören sollten.
„Hat Wohkadeh sich besonnen, ob er weiter leugnen oder den Kriegern der Ogellallah alles gestehen will?“ fragte der Häuptling.
„Wohkadeh hat nichts Böses getan und also auch nichts zu gestehen“, antwortete der Gefragte.
„Wohkadeh lügt. Wollte er die Wahrheit erzählen, so würde sein Urteil ein sehr mildes sein!“
„Mein Urteil wird dasselbe sein, gleichviel ob ich schuldig oder unschuldig bin. Ich muß sterben!“
„Wohkadeh ist jung. Die Jugend hat einen kurzen Gedanken. Sie weiß oft nicht genau, was das, was sie tut, zu bedeuten hat. Darum sind wir bereit, Milde walten zu lassen; aber derjenige, welcher falsch gehandelt hat, muß aufrichtig sein!“
„Ich habe nichts zu sagen!“
Da ging ein höhnisches Lächeln über das Gesicht des Häuptlings. Er fuhr fort:
„Ich kenne Wohkadeh. Er wird uns dennoch alles, alles sagen!“
„Ihr werdet vergebens darauf warten.“
„So ist Wohkadeh ein Feigling. Er fürchtet sich. Er hat den Mut, Böses zu tun, aber es fehlt ihm der Mut, es einzugestehen. Wohkadeh ist trotz seiner Jugend ein altes Weib, welches vor Angst heult, wenn es von einer Fliege gestochen wird!“
Wohl kannte der Häuptling den jungen Mann. Seine Worte erreichten ihren Zweck.
Kein Indianer läßt sich einen Feigling nennen, ohne sofort zu zeigen, daß er mutig sei. Von früher Jugend an an Entbehrungen, Anstrengungen und allerhand Schmerzen gewöhnt, achtet er den Tod nicht. Er ist ja überzeugt, nach dem Tode sofort in die ewigen Jagdgründe zu gelangen. Er ist also, falls er ein Feigling genannt wird, bereit, das Gegenteil zu beweisen und dabei selbst sein Leben auf das Spiel zu setzen. So auch Wohkadeh. Kaum hatte der Häuptling die Beleidigung ausgesprochen, so antwortete er rasch:
„Ich habe den weißen Büffel getötet. Alle Sioux-Ogellallah wissen das!“
„Aber keiner von ihnen war dabei. Keiner hat gesehen, daß du ihn wirklich tötetest. Du hast das Fell gebracht, das wissen wir, weiter nichts!“
„Gibt der Büffel sein Fell freiwillig her?“
„Nein! Aber wenn er gestorben ist, so liegt er auf der Prärie. Wohkadeh kommt dazu, nimmt die Haut, trägt sie heim und sagt dann, daß er ihn getötet habe. Der Büffel aber war von selbst verendet.“
„Das ist eine Lüge!“ rief Wohkadeh, im höchsten Grade erzürnt über diese neue Beleidigung. „Kein verendeter Büffel liegt in der Prärie. Die Geier und Coyoten fressen ihn auf.“
„Und der Coyote bist du!“
„Uff!“ rief Wohkadeh, an seinen Riemen zerrend. „Wäre ich nicht gefesselt, so wollte ich dir zeigen, ob ich ein feiger Präriewolf bin oder nicht!“
„Du hast es bereits gezeigt. Du bist ein Feigling, denn du fürchtest dich, die Wahrheit zu sagen!“
„Ich habe nicht aus Angst geleugnet!“
„Warum denn?“
„Aus Rücksicht für die anderen, welche sich in Eurer Hand befinden.“
„Uff! Also jetzt gestehst du ein, daß du schuldig bist?“
„Ja!“
„So erzähle, was du getan hast!“
„Was soll ich erzählen? Das ist mit wenigen Worten gesagt. Ich bin nach dem Wigwam des Bärentöters gegangen, um zu erzählen, daß er von Euch gefangengenommen worden ist. Dann sind wir aufgebrochen, ihn zu befreien.“
„Wer?“
„Wir fünf. Der Sohn des Bärentöters, Jemmy, Davy, Frank und Wohkadeh.“
„Weiter niemand?“
„Nein!“
„So hat wohl Wohkadeh die Bleichgesichter sehr liebgewonnen?“
„Ja! Einer unter ihnen ist mehr wert als hundert Sioux-Ogellallah.“
Der Häuptling ließ seinen Blick im Kreis herumgleiten und freute sich heimlich über den Eindruck, welche die letzten Worte des roten Jünglings bei den Ogellallah hervorgebracht hatten. Dann fragte er:
„Weißt du, was du gewagt hast, uns das zu sagen?“
„Ja! Ihr werdet mich töten!“
„Aber unter tausend Martern!“
„Ich fürchte sie nicht.“
„Sie mögen
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