11 - Die Helden des Westens
sofort beginnen. Bringt den Sohn des Bärentöters herbei!“
Jetzt wurde, wie auch Old Shatterhand gesehen hatte, Martin herbeigeführt und neben Wohkadeh gestellt.
„Hast du gehört und verstanden, was Wohkadeh gesagt hat?“ fragte ihn der Häuptling.
„Ja“, antwortete Martin ruhig.
„Er hat euch geholt, damit ihr die Gefangenen befreien solltet. Fünf Mäuse ziehen aus, um fünfzig Bären zu fressen! Die Dummheit hat euer Hirn verzehrt; sie mag euch nun auch ganz verzehren. Ihr werdet sterben!“
„Das glaube ich!“ lächelte Martin Baumann. „Kein Mensch kann ewig leben bleiben!“
Der Häuptling verstand ihn nicht sogleich. Dann aber begriff er den Sinn dieser Worte, denn er antwortete:
„Was du jetzt nur glaubst, sollst du sehr bald als Wahrheit erkennen. Hofft ihr etwa noch auf eine Gelegenheit, uns zu entkommen? Die soll euch genommen werden. Ihr werdet heute schon sterben, jetzt, sogleich!“
Er blickte die beiden scharf an, um zu sehen, welche Wirkung seine Worte hervorbringen würden. Wohkadeh verhielt sich so, als ob er sie gar nicht gehört habe; Martin aber veränderte die Farbe seines Gesichtes, obgleich er sich die größte Mühe gab, seinen Schreck zu verbergen.
„Der ‚Schwere Mokassin‘ sieht, daß ihr große Freunde seid“, fuhr der Häuptling fort. „Er will euch die Freude machen, miteinander zu sterben.“
Er hatte geglaubt, die Bestürzung der beiden zu vermehren. Aber Wohkadeh sagte unter einem heiteren Lächeln:
„Du bist besser, als ich dachte! Ich fürchte den Tod nicht. Kann ich mit meinem weißen Freunde sterben, so wird er mir sogar süß sein.“
„Süß?“ hohnlachte der Häuptling. „Ja, süß soll er sein. Ihr sollt seine Süßigkeiten auskosten, langsam, ganz und gar. Und weil eure Liebe eine so seltene ist, so sollt ihr auch auf eine ganz seltene Weise in die ewigen Jagdgründe gehen!“
Er stand auf, trat aus dem Kreise und ging zu der Umwallung des Schlammkraters. „Das ist euer Grab!“ sagte er. „In wenigen Minuten soll es euch empfangen!“
Er deutete in die Tiefe, aus welcher der stinkende Brodem emporstieg.
Das hatte niemand erwartet. Das war mehr als unmenschlich. Martin wurde totenbleich. Sein Vater stieß jenen Angstschrei aus, welchen Old Shatterhand und seine Begleiter drüben, jenseits des Flusses, gehört hatten. Er zerrte mit aller Gewalt an seinen Fesseln.
Baumann hatte vom ersten Augenblick seiner Gefangenschaft an bis jetzt mit keinem Worte und mit keiner Miene gezeigt, wie unglücklich er sich fühle. Er war zu stolz, sich das merken zu lassen. Jetzt aber, als er hörte, was seinem Sohne drohte, war es mit aller seiner Selbstbeherrschung vorüber.
„Das nicht, das nicht!“ rief er. „Werft mich in den Krater, mich, mich, nur ihn nicht, ihn nicht!“
„Schweig!“ herrschte der Häuptling ihm zu. „Du würdest heulen vor Entsetzen, wenn du den Tod deines Sohnes sterben solltest!“
„Nein, nein, keinen Laut sollt ihr hören, keinen einzigen!“
„Du wirst bereits heulen, wenn ich dir diesen Tod beschreibe. Meinst du, daß wir deinen Knaben und den Verräter Wohkadeh einfach in diesen Schlund werfen werden? Da irrst du dich sehr. Der Schlamm steigt und sinkt so regelmäßig, wie die Flut des Meeres, welche dem Laufe des Mondes folgt, wie man mir gesagt hat. Man weiß den Augenblick genau, an welchem der Schlamm kommt, und auch den, an welchem er wieder geht. Man weiß auch sehr genau, wie hoch er steigt. Wir werden den Verräter und deinen Knaben an Lassos binden und sie in das Loch werfen. Aber sie werden nicht hinabfallen, denn die Lassos halten sie. Sie werden so tief hinabhängen, daß ihnen der Schlamm nur bis an die Füße steigt. Beim nächsten Male lassen wir sie weiter hinab, daß ihnen der Schlamm bis an die Knie reicht. So werden sie tiefer und tiefer sinken, und ihre Körper werden langsam von unten nach oben in dem heißen Schlamme braten. Hast du nun noch Lust, für deinen Sohn dieses Todes zu sterben?“
„Ja, ja!“ antwortete Baumann. „Nehmt mich an seiner Stelle; nehmt mich!“
„Nein! Du sollst mit den anderen am Grab der Häuptlinge am Marterpfahl enden. Und jetzt sollst du zusehen müssen, wie dein Sohn im Pfuhl versinkt!“
„Martin, Martin, mein Sohn!“ schrie der Vater in verzweiflungsvollem Ton.
„Vater, mein Vater!“ antwortete dieser weinend.
„Schweig!“ raunte Wohkadeh ihm zu. „Wir wollen sterben, ohne ihnen die Freude zu machen, den Schmerz auf unserem Angesicht zu
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