11 - Die Helden des Westens
herum oder lagen ruhend am Boden. Zu grasen gab es nichts, denn der Boden brachte keinen einzigen Halm hervor.
Ganz in der Nähe lagen mehrere zentner- und noch mehr schwere Steine. Auf diesen saßen die Gefangenen, jeder auf einem derselben. Man hatte ihnen die Hände auf den Rücken gebunden und mit Lassos ihre Füße an die Steine befestigt. So saßen sie bereits seit gestern abend, eine Stellung, welche ihnen außerordentliche Qualen bereiten mußte.
Eben jetzt, als Old Shatterhand seine Aufmerksamkeit auf die Ogellallah richtete, kam Bewegung in sie. Sie erhoben sich aus ihrer liegenden Stellung und setzten sich in einen Kreis zusammen, in dessen Mitte der Häuptling Platz nahm.
Old Shatterhand sah Jemmy, Davy, Martin und den Hobble-Frank. Baumann und die anderen kannte er nicht. Wohkadeh war abseits an einen Stein gefesselt, und zwar in einer Stellung, als ob ihm alle Glieder verrenkt werden sollten.
Zu ihm trat einer der Sioux, band ihn vom Steine los und führte ihn in den Kreis.
„Sie wollen ihn verhören“, sagte Old Shatterhand. „Vielleicht halten sie Gericht über ihn und haben die Absicht, ihm die Strafe an diesem Ort zu geben. Ah, ich möchte hören, was jetzt gesprochen wird!“
Old Shatterhand nahm das Fernrohr aus der Satteltasche und richtete es auf die Sioux. Eben jetzt wurde Martin Baumann losgebunden und auch in den Kreis geführt und neben Wohkadeh gestellt. Old Shatterhand hatte durch das Glas die Gesichter so nahe vor sich, daß er die Lippenbewegungen der Sprecher sah. Es war, als ob die Sioux kaum zwanzig Schritte von ihm entfernt seien.
Der Häuptling sprach zu Martin Baumann, mit der Hand nach dem Schlammkrater deutend. Old Shatterhand sah ganz deutlich, daß Martin totenbleich wurde. Zu gleicher Zeit ertönte ein schriller Schrei, wie ihn die menschliche Kehle nur im Augenblick des größten Entsetzens ausstoßen kann. Einer der Gefangenen hatte ihn ausgestoßen, der alte Baumann. Old Shatterhand sah, daß der arme Mann aus allen Kräften an seinen Fesseln zerrte. Das, was der Häuptling gesagt hatte, mußte etwas geradezu Fürchterliches sein.
Und das war es auch, etwas so Teuflisches, daß ein Vater wohl aus Angst um seinen Sohn einen solchen Schrei ausstoßen konnte.
Die Sioux-Ogellallah waren gestern nach Anbruch des Abends auf der Höhe des Geisterflusses angekommen. Sie hatten erwartet, daß der ‚Schwere Mokassin‘ da unter den Bäumen des Waldes Lager machen werde, aber sie hatten sich verrechnet. Trotz der Dunkelheit und trotz der Beschwerlichkeit des Abstiegs bestimmte er, daß noch über den Fluß gesetzt werden solle.
Er kannte die Gegend; er war bereits mehreremale hier gewesen, und in seinem Hirn brütete ein Gedanke, noch finsterer und unheimlicher als der Schlammkrater, welcher da unten im Dunkel der Nacht seine scheußlichen Massen hob und senkte.
Voransteigend und sein Pferd am Zügel führend, zeigte er den Seinen den Weg. Auch die Gefangenen mußten mit hinab, was natürlich außerordentliche Schwierigkeiten bereitete, da sie nicht von den Tieren losgebunden werden durften. Schließlich gelangten doch alle glücklich unten am Ufer an.
An dieser Stelle war das Wasser des Feuerlochflusses nicht heiß, sondern nur warm. Man konnte hindurch, ohne sich Schaden zu tun. Je zwei Sioux nahmen das Pferd eines Gefangenen zwischen sich, und dann ging es hinüber. Am Schlammkrater wurde haltgemacht.
Die Gefangenen wurden an die dort liegenden großen Steine gefesselt und Wächter bei ihnen aufgestellt; dann legten sich die anderen nieder, ohne von dem Häuptling Auskunft erhalten zu haben, warum er hier Lager machte, im Gestank des Kraters, und wo es weder Gras noch Wasser für die Pferde gab.
Bei Anbruch des Morgens wurden die letzteren eine Strecke abwärts geführt, wo, wie der Häuptling wußte, eine reine Quelle aus dem Felsen strömte. Nach Rückkehr der Leute, die das besorgten, zog jeder ein Stück getrocknetes Büffelfleisch hervor, um zu frühstücken. Jetzt nun erklärte der ‚Schwere Mokassin‘ seinen Leuten mit leiser Stimme, was er in Beziehung auf Wohkadeh und den jungen Baumann beschlossen habe.
Alle hielten den ersteren für einen Verräter. Er hatte zwar nicht gestanden, aber in ihren Augen war er überführt. Daß Martin an demselben Schicksal teilnehmen solle, machte ihnen nicht die geringsten Bedenken. Die Gefangenen waren alle dem Tode gewidmet, und je mehr Abwechslung bei ihrer Hinrichtung angebracht wurde, desto interessanter war es
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