Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
glänzten auf ihren westlichen Seiten in glühender Farbenpracht, welche nach Osten hin sich in immer tiefere, dunklere Töne verlief.
    „Wie weit reiten wir heute noch?“ fragte der Dicke, nachdem sie stundenlang kein Wort gesprochen hatten.
    „So weit wie alle Tage“, antwortete der Lange.
    „Well!“ lachte der Kleine. „Also bis zum Lagerplatz.“
    „Ay!“
    Master Davy hatte nämlich die Eigentümlichkeit, stets Ay anstatt Yes zu sagen.
    Wieder verging eine Weile. Jemmy hütete sich sehr, durch eine weitere Frage sich abermals eine solche Antwort zu holen. Er betrachtete den Kameraden zuweilen mit seinen listigen Äuglein und wartete die Gelegenheit zur Rache ab. Endlich wurde die Stille dem Langen doch zu drückend. Er deutete mit der Rechten hinaus in die Richtung, welcher sie folgten, und fragte:
    „Kennst du diese Gegend?“
    „Sehr!“
    „Nun, was ist's?“
    „Amerika!“
    Der Lange zog unmutig die langen Beine empor und gab seinem Maultier einen Hieb. Dann meinte er: „Schlechter Kerl!“
    „Wer?“
    „Du!“
    „Ah! Ich? Wieso?“
    „Rachsüchtig!“
    „Gar nicht. Ich pflege nur in dem Ton fortzufahren, in welchem man mit mir gesprochen hat. Gibst du mir dumme Antworten, so sehe ich ganz und gar nicht ein, warum ich geistreich sein soll, wenn du mich fragst.“
    „Geistreich? O wehe! Du und geistreich! Du bestehst so sehr aus Fleisch, daß der Geist gar keinen Platz haben würde.“
    „Oho! Hast du vergessen, was ich durchgemacht habe, drüben im alten Lande?“
    „Ay! Eine Klasse des Gymnasiums? Ja, das weiß ich noch. Das kann ich überhaupt niemals vergessen, denn du erinnerst mich täglich wenigstens dreißigmal daran.“
    „Das ist auch notwendig. Eigentlich sollte ich es täglich vierzig- oder fünfzigmal erwähnen, da ich ein Mann bin, vor dem du gar nicht genug Hochachtung haben kannst. Übrigens habe ich nicht nur eine Klasse absolviert!“
    „Nein, drei.“
    „Also!“
    „Für das weitere reichte aber der Verstand nicht aus –“
    „Sei still! Das Geld wurde alle; Verstand hätte ich mehr als genug gehabt. Übrigens weiß ich sehr wohl, was du vorhin meintest. Diese Gegend werde ich nicht vergessen. Weißt du, da drüben hinter den Höhlen lernten wir uns kennen.“
    „Ay! Das war ein schlimmer Tag. Ich hatte all mein Pulver verschossen und wurde von den Sioux gejagt. Ich konnte schließlich nicht weiter, und sie schlugen mich nieder. Am Abend aber kamst du.“
    „Ja, die dummen Kerls hatten ein Feuer angebrannt, welches man droben in Kanada hätte sehen können. Ich bemerkte es und schlich mich hinan. Ich sah fünf Sioux, welche einen Weißen gefesselt hatten. Na, ich hatte mich nicht verschossen wie du. Zwei schoß ich nieder und drei entflohen, weil sie nicht ahnten, daß sie es nur mit einem einzelnen zu tun hatten; du warst frei.“
    „Frei war ich freilich, aber auch grimmig und zornig auf dich!“
    „Darüber, daß ich die beiden Indsmen nicht erschossen, sondern nur verwundet hatte, ja. Aber ein Indsman ist auch ein Mensch, und es kann mir niemals einfallen, einen Menschen zu töten, wenn es nicht partout notwendig ist. Ich bin eben ein Deutscher und kein Kannibale!“
    „Aber bin ich etwa ein solcher?“
    „Hm!“ brummte der Dicke. „Jetzt bist du freilich anders als früher. Da hattest du wie so viele andere die Ansicht, daß man die Roten nicht schnell genug ausrotten könne. Ich hab' dich geradezu zu meiner Meinung bekehren müssen.“
    „Ja, ihr Deutschen seid ganz eigenartige Kerls. Mild, weich wie Butter, und nachher, wenn es sein muß, so stellt ihr euren Mann wie sonst einer. Ihr möchtet alle Welt mit Handschuhen von Samt anfassen, und doch schlagt ihr gleich mit dem Kolben drein, wenn ihr meint, daß ihr euch endlich wehren müßt. So seid ihr alle, und so bist auch du.“
    „Und ich freue mich, daß es gerade so ist und nicht anders. Aber schau, dort scheint ein Strich durch das Gras zu gehen.“
    Er hielt sein Pferd an und deutete nach einem Felsen hinüber, an dessen Fuß eine lange, dunkle Linie durch das Gras vorüberführte.
    Auch Davy parierte sein Pferd, beschattete die Augen mit der einen Hand und musterte die betreffende Stelle; dann sagte er:
    „Du solltest mich zwingen dürfen, einen Zentner Flintenkugeln ungebraten zu essen, wenn dies nicht ein Fährte ist.“
    „Auch ich halte es dafür. Wollen wir uns das Ding einmal genauer betrachten, Davy?“
    „Wollen? Wer spricht von Wollen, wenn man muß? In dieser alten Prärie ist

Weitere Kostenlose Bücher