11 - Die Helden des Westens
des Lagers zu erleichtern.
Trotzdem aber wendeten sie die Vorsicht an, den Nahenden einige Leute entgegen zu senden, welche sich überzeugen sollten, daß man wirklich nichts zu fürchten habe.
Als dann der Häuptling mit seiner Begleitung das Lager erreichte, fühlten die Seinen wohl Freude über seine Rückkehr und diejenige seines Sohnes, auch waren sie wohl begierig, zu erfahren, wie es mit dem rätselhaften Verschwinden der beiden zugegangen sei, doch keiner ließ sich davon etwas merken. Natürlich waren sie im höchsten Grade erstaunt, als sie die fremden Bleichgesichter mit ihm ankommen sahen, doch waren sie zu sehr gewöhnt, ihre Gefühle zu verbergen, als daß sie ein Zeichen der Überraschung hätten sehen lassen. Nur der alte Krieger, welcher vorher den Befehl geführt hatte, trat seinem Häuptling entgegen und sagte:
„Tokvi-tey ist ein großer Zauberer. Er verschwindet aus seinem Zelt, wie das Wort verschwindet, wenn es gesprochen worden ist.“
„Haben meine Brüder wirklich geglaubt, daß der ‚Schwarze Hirsch‘ verschwunden sei, ohne Spur, wie der Rauch, welcher in die Lüfte steigt?“ fragte der Häuptling. „Haben sie nicht Augen gehabt, zu sehen, was geschehen ist?“
„Die Krieger der Schoschonen haben Augen. Sie haben das Zeichen des berühmten weißen Jägers gefunden, daß Schmetterhand mit ihrem Häuptling gesprochen habe.“
Das war eine sehr rücksichtsvolle Umschreibung der Tatsache, daß der ‚Schwarze Hirsch‘ durch Old Shatterhand entführt worden war. Der Alte bediente sich dieser Worte aus Achtung vor seinem Anführer.
„Meine Brüder haben richtig vermutet“, erklärte dieser. „Hier steht Nonpay-klama, der weiße Jäger, welcher seine Feinde mit der Faust niederschlägt. Und an seiner Seite befindet sich Winnetou, der große Häuptling der Apachen.“
„Uff, uff!“ ertönte es im Kreis.
Bewundernd und achtungsvoll ruhten die Blicke der Schoschonen auf den Gestalten der beiden berühmten Männer, und indem sie ehrerbietig von ihnen zurücktraten, erweiterte sich der Kreis, welcher sich um die Ankömmlinge gebildet hatte.
„Diese Krieger sind gekommen, die Pfeife des Friedens mit uns zu rauchen“, fuhr der Häuptling fort. „Sie wollten ihre beiden Gefährten befreien, welche dort im Zelt liegen. Sie hatten das Leben des ‚Schwarzen Hirsches‘ und seines Sohnes in ihrer Hand und haben es doch nicht genommen. Darum mögen die Krieger der Schoschonen die Fesseln der Gefangenen lösen. Meine Brüder werden dafür die Skalpe vieler Sioux-Ogellallah bekommen, welche wie die Mäuse aus ihren Löchern gekrochen sind, um von dem Habicht erwürgt zu werden. Mit Anbruch des Tages werden wir ihrer Fährte folgen. Jetzt aber mögen die Krieger sich um das Feuer der Beratung versammeln, um den großen Geist zu fragen, ob er den Kriegszug gelingen lassen werde!“
Keiner sprach ein Wort, obgleich die Kunde, welche sie vernahmen, wohl geeignet war, ihre höchste Teilnahme zu erwecken. Einige von ihnen begaben sich still in das betreffende Zelt, um den Befehl des Häuptlings auszuführen, und brachten bald die beiden Gefangenen an das Feuer geführt.
Diese kamen wankend und unsicheren Schrittes herbei. Die Fesseln hatten so tief eingeschnitten, daß die Zirkulation des Blutes gehindert gewesen war. Es währt dann gewöhnlich längere Zeit, ehe man die betreffenden Glieder vollständig wieder gebrauchen kann.
„Alter Waschbär, was hast du denn für Dummheiten gemacht?“ fragte der lange Davy seinen dicken Freund. „Nur so ein Frosch wie du kann dem Storch geradezu in den Schnabel springen!“
„Mach nur den deinigen zu, sonst springe ich auch dir hinein, und zwar augenblicklich!“ antwortete Jemmy ärgerlich, indem er sich die wunden Handgelenke rieb. „Master Shatterhand wird uns bezeugen können, daß von einer Dummheit keine Rede ist. Wir haben uns ohne Gegenwehr ergeben, weil dies uns die einzige Möglichkeit bot, unser Leben zu retten. Im Falle wir uns verteidigt hätten, wären wir unbedingt ausgelöscht worden. Du hättest es an meiner Stelle ganz ebenso gemacht, zumal die Gewißheit vorhanden war, daß Old Shatterhand uns nicht in dieser Tinte stecken lassen werde.“
„Na, Alter, beruhige dich nur! Es war nicht so bös gemeint, und du weißt ja genau, daß ich mich herzlich freue, dich wieder frei zu sehen.“
„Schön! Aber dir werde ich meine Freiheit wohl nicht zu verdanken haben.“ Und sich an Old Shatterhand wendend, fuhr er fort: „Ganz
Weitere Kostenlose Bücher