11 - Die Helden des Westens
mag also wählen. Winnetou hat gesprochen!“
Es trat eine tiefe Stille ein. Der Eindruck, welchen die Persönlichkeit und die Rede des Apachen gemacht hatte, war ein großer. Tokvi-tey bückte sich nieder, ergriff das Messer, welches ihm entfallen war, stieß die Klinge desselben bis an das Heft in die Erde und antwortete:
„So wie die Schärfe dieses Messers verschwunden ist, so sei verschwunden alle Feindschaft zwischen den Söhnen der Schoschonen und den tapferen Kriegern, welche hier bei ihnen stehen!“
Dann zog er das Messer wieder heraus, hielt die Klinge drohend empor und fuhr fort:
„Und so wie dieses Messer sei die Freundschaft zwischen den Schoschonen und ihren Brüdern. Sie treffe alle Feinde, welche gegen die Vereinten sind. Howgh!“
„Howgh, howgh!“ ertönte es rundum.
„Mein Bruder hat eine kluge Wahl getroffen“, sagte Old Shatterhand. „Er sehe hier Davy-honskeh, den berühmten Jäger. Kennt er die Namen der Bleichgesichter, welche als Gefangene in seinem Zelt liegen?“
„Nein.“
„Es ist Jemmy-petahtscheh mit dem hinkenden Frank, welcher der Gefährte Mato-pokas, des Bärentöters, ist.“
„Mato-poka!“ rief der Schoschone überrascht. „Warum hat der Hinkende dies nicht gesagt? Ist nicht Mato-poka der Bruder der Schoschonen? Hat er nicht Tokvi-tey das Leben gerettet, als die Sioux-Ogellallah seiner Fährte folgten?“
„Das Leben hat er dir gerettet? Nun, hier erblickst du Martin, seinen Sohn, und Bob, seinen treuen, schwarzen Diener. Sie sind ausgezogen, ihn zu retten, und wir begleiten sie, denn Mato-poka, der Bärentöter, ist in die Hände der Ogellallah gefallen und soll von ihnen getötet werden mit seinen fünf Gefährten.“
Tokvi-tey hielt das Messer noch in der Hand. Er warf es zu Boden, trat mit dem Fuß darauf und rief:
„Die Hunde der Ogellallah wollen den Bärentöter martern? Der große Manitou wird sie vernichten. Ist ihre Zahl eine große?“
„Es sind ihrer nur fünfzig und sechs.“
„Und wenn es ihrer auch tausend wären, so müßten sie zu Grunde gehen. Hier wie dieses Messer werden sie von den Kriegern der Schoschonen zur Erde gestampft werden. Ihre Seelen sollen aus ihren Leibern fahren, und ihre Gebeine sollen bleichen im Sonnenstrahl! Wo sind sie? Wo kann man auf ihre Fährte treffen?“
„Sie sind hinauf in die Berge des Gelbsteinflusses, wo das Grabmal des ‚Tapferen Büffels‘ steht.“
„Hat nicht mein Bruder Old Shatterhand den ‚Tapferen Büffel‘ und seine zwei Gefährten mit der nackten Faust erschlagen? So sollen auch die fallen, welche es gewagt haben, sich an dem Bärentöter zu vergreifen. Meine Brüder mögen mir hinabfolgen zum Lager meiner Krieger. Dort soll die Pfeife des Friedens geraucht werden, und dort werden die Männer am Beratungsfeuer sitzen, um nachzudenken, auf welchem Weg die Hunde am schnellsten zu erreichen sind!“
Natürlich waren alle bereit dazu. Auch die beiden Kundschafter waren von ihren Fesseln befreit worden, und nun wurden die Pferde herbeigeholt.
„Sir, Ihr seid doch ein verteufelter Kerl!“ raunte der lange Davy Old Shatterhand zu. „Alles, was Ihr beginnt, hat Chic, ist außerordentlich kühn und gelingt doch so vorzüglich, als ob es sich nur um eine Lappalie gehandelt habe. Ich ziehe meinen Chapeau vor Euch!“
Er riß seinen krempenlosen Zylinderhut herab und schwenkte ihn so nachdrücklich hin und her, als ob er einen Karpfenteich ausschöpfen wolle.
Es wurde aufgebrochen. Die Pferde hinter sich herziehend, tasteten sich die Jäger wieder nach dem Abhang zurück. Das Feuer war natürlich ausgelöscht worden. Oben an der Talsenkung angekommen, hielt Tokvi-tey beide Hände an den Mund und schrie in die stille Tiefe hinab: „Khun, khun, khun-wah-ka – das Feuer, das Feuer, brennt das Beratungsfeuer an!“
Das Echo gab den Ruf vervielfältigt zurück. Er war unten gehört und verstanden worden, denn man vernahm laute Stimmen.
„Hang pa – wer kommt?“ tönte ein lauter Ruf aus dem Tal empor.
„Moh-aw, Moh-aw!“ antwortete der Sohn des Häuptlings hinab.
Darauf ließ sich ein lautes, jubelndes „ha-ha-hih“ hören, und wenige Augenblicke später war die Flamme des schnell wieder angezündeten Feuers zu sehen. Das war ein sicheres Zeichen, daß die Schoschonen die Stimme des jungen Indianers erkannt hatten, denn im anderen Fall hätten sie sich gehütet, einem etwa nahenden Feind, der sie durch seine Zurufe zu täuschen beabsichtigte, den Überfall durch die Beleuchtung
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