11 - Geheimagent Lennet auf der Insel des Schweigens
Mittag beschloß er, ein wenig zu fischen. Aber auch das nahm nicht viel Zeit in Anspruch. In wenigen Minuten hatte er so viele Fische gefangen, daß es für eine ausgedehnte Mahlzeit reichte.
Gegen Abend änderte sich der Wind, aber er blieb nach wie vor günstig. Lennet aß wieder selbstgefangene Fische, die er sich auf dem kleinen Gaskocher briet. Und während er aß, sah er zu, wie die Sonne in einem flammenden Horizont versank. Das ging sehr rasch. Der Himmel verfärbte sich, und plötzlich war es Nacht.
Lennet gab sich selbst einen Minuspunkt, weil er es versäumt hatte, rechtzeitig die Positionslampen zu setzen.
Er holte es in der Dunkelheit nach und überprüfte seine Position auf der Karte. Er hatte etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt.
»Und was mache ich jetzt?« fragte er sich. »Ich lege mich wohl am besten schlafen.«
Er war nicht eigentlich schläfrig, aber er war matt von der Hitze und dem blendenden Licht des Tages und wußte überdies, daß ein erfahrener Seemann sich jetzt auch hinlegen würde.
So öffnete er den einen Kasten, nahm die Zwillingssegel heraus, die auf den anderen Segeln lagen.
»Man braucht doch einen Haufen Leinwand, um so ein winziges Ding in Fahrt zu bringen« sagte er laut vor sich hin, als er feststellte, daß der Kasten bis obenhin voll war.
Er befestigte die Segel so, daß sie mit ihren Leinen auf die Steuerung einwirkten und so das Boot auf Kurs hielten. Dann legte er sich hin, aber es gelang ihm erst nach einigen Anstrengungen einzuschlafen.
In der Nacht wachte er dreimal auf. Er erhob sich und ging zum Ruder, um sich zu überzeugen, daß der Kurs stimmte. Beim dritten Mal erlebte er eine Überraschung: Der Kurs war völlig verändert, obgleich die Segel weiterhin gebläht waren wie bei den beiden Malen zuvor.
»Das ist ein Trick, den die Herren mir nicht beigebracht haben«, brummte Lennet vor sich hin.
Er nahm die notwendigen Korrekturen vor, um wieder auf den richtigen Kurs zu kommen und beobachtete eine Weile die Fahrt seines Bootes, um sich zu vergewissern, daß es auf Kurs blieb. Die »Windsbraut« machte nicht die geringsten Schwierigkeiten, und Lennet legte sich wieder hin.
Doch er konnte nicht mehr schlafen. Unruhig wälzte er sich hin und her, und beim ersten Schimmer des Morgens erhob er sich, machte sich eine Tasse Kaffee und ging ans Steuer.
Die Sonne ging auf. Leichter Dunst lag über dem Wasser. Ein einsamer Vogel zog hoch oben seine Bahn.
Lennet sah auf die Uhr. Sein Bestimmungsort konnte nicht mehr weit sein.
Als der Dunst sich verzogen hatte, gewahrte Lennet in der Tat auf Steuerbord eine bergige Insel, die etwa fünf Meilen entfernt sein mochte.
Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Paramotu«, murmelte er.
In einer Stunde, vielleicht in zwei Stunden würde seine eigentliche Aufgabe beginnen. Ohne Zweifel wartete ein gefährlicher Einsatz auf ihn, weit gefährlicher als diese Fahrt auf dem Meer, doch er war dann wieder auf der Erde und hatte festen Boden unter den Füßen. Er war erleichtert.
Das Boot nahm Fahrt auf, nachdem die Vorstagsegel losgemacht waren. Es machte gut und gern sechs Knoten.
Immer deutlicher wurde die Insel sichtbar. Lennet konnte nun die steilen Basalthänge erkennen und Einzelheiten der reichen Vegetation unterscheiden.
Er nahm das alte Fernglas, das die Finanzsektion des Nachrichtendienstes genehmigt hatte, und suchte die Küste ab.
Zwei Tage zuvor noch hatte er die Insel im Flugzeug überflogen, und er hatte auch lange Zeit mit den Luftaufnahmen von der Insel verbracht, um sich jede Einzelheit einzuprägen. Vom Meer aus gesehen, nahm sich nun alles anders aus. Aber das mochte am anderen Blickwinkel liegen. Die Insel hatte mehr oder minder die Form einer Gitarre. Zugänglich war sie lediglich am »Griffbrett«, einer etwa einen Kilometer langen Sandbank, die Lennet von seinem Standort aus nicht sehen konnte, und an den beiden Einbuchtungen des »Resonanzbodens«, wo sich kleine Sandstrände befanden.
Da er von Südsüdwest kam, steuerte Lennet direkt auf die westliche dieser Bänke zu, die er zwischen zwei Steilfelsen erkennen konnte.
Nachdem er so den Punkt ausgemacht hatte, an dem er landen wollte, begann er die Klippen zu suchen, die eine Annäherung an die Insel so gefährlich machten. Er sah weniger, als er angenommen hatte, und er hatte sogar einige Mühe, eine Klippe zu finden, die seinen Zwecken entsprach: Ein Riff also, nicht leicht zu erkennen und doch dicht genug unter der
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