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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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der Hut zu sein, die Schotten dicht zu machen, als wäre sein Leben ein schlingerndes Schiff, das Gefahr lief, seine Fracht zu verlieren, wenn er nicht jeden Moment Acht gab?
    Eugenie war schuld daran. Eugenie, deren zerbrechlich dünner Körper danach verlangte, in den Arm genommen und gehalten zu werden; deren ordentlich frisiertes, grau gesprenkeltes Haar danach verlangte, von Nadeln und Spangen befreit zu werden; deren blaugrüne Augen nie ohne Vorsicht waren; deren unauffällige und dennoch aufregende Weiblichkeit bei Ted Gefühle und Empfindungen weckte, die er seit Connies Tod nicht mehr gekannt hatte. Ja. Eugenie war schuld daran.
    Und er war der Mann für Eugenie, der Mann, der sie beschützen und ihr das Leben wieder schenken konnte. Sie hatte sich, wer weiß wie lange schon, den ganz gewöhnlichen Umgang mit anderen Menschen so radikal verwehrt, dass es ihm, obwohl sie es nie angesprochen hatte, sofort aufgefallen war, als er sie das erste Mal zu einem Glas Sherry im Catherine Wheel eingeladen hatte.
    Ach Gott, hatte er angesichts ihrer Verwirrung bei seiner Einladung gedacht, sie ist wohl schon seit Jahren nicht mehr mit einem Mann ausgegangen. Und er hatte sich gefragt, warum das so war.
    Möglich, dass er jetzt die Antwort erhielt. Sie hatte Geheimnisse vor ihm. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen, Ted, Sünden habe sie zu beichten, hatte sie erklärt.
    Nun, dann sollte sie ihm jetzt sagen, was sie zu sagen hatte.
    Am Ende der Friday Street hielt Ted mit der vor Kälte zitternden PB an seiner Seite vor der Ampel an, um auf Grün zu warten. Tag und Nacht donnerte der Verkehr durch die Duke Street, die Hauptdurchgangsstraße nach Reading und Marlow. Selbst an einem regnerischen Abend wie diesem ließ er kaum nach, was kein Wunder war, da sich die Leute in deprimierender Weise ja immer stärker auf das Auto verließen und in immer größerer Zahl ein Pendlerleben nach dem Motto »arbeiten in der Stadt und wohnen auf dem Land« führten. Sogar um neun Uhr abends brausten Personenautos und Lastwagen in beinahe unverminderter Zahl über die nasse Straße und erleuchteten mit ihren Scheinwerfern, deren Licht sich in Fensterglas und Pfützen spiegelte, die Nacht.
    Zu viele Menschen, die ständig kreuz und quer unterwegs sind, dachte Ted trübsinnig. Zu viele Menschen, die keine Ahnung haben, warum sie wie gejagt durch das Leben hetzen.
    Die Ampel schaltete um. Ted überquerte die Fahrbahn und legte das kurze Stück in die Greys Road im Laufschritt zurück. Die alte Hündin japste jämmerlich, obwohl sie höchstens fünfhundert Meter gegangen war, und Ted trat in die Türnische von Mirabelles Antiques, dem kleinen Antiquitätengeschäft, um dem armen Tier eine Verschnaufpause zu gönnen. »Gleich sind wir da«, sagte er tröstend. »Das kurze Stück bis zur Albert Road schaffst du schon noch.«
    Dort war, mit einem großen Parkplatz vor dem Haus, der Sixty Plus Club, eine Organisation, die sich der sozialen Bedürfnisse der wachsenden Gemeinde von Rentnern und Pensionären in Henley annahm. Dort war Eugenie in der Organisationsleitung tätig. Und dort hatte Ted sie kennen gelernt, nachdem er von Maidstone, wo die Erinnerungen an das lange Sterben seiner Frau ihm unerträglich geworden waren, nach Henley umgezogen war.
    »Major Wiley, das ist ja nett! Sie wohnen in der Friday Street«, hatte Eugenie zu ihm gesagt, als sie sein Mitgliedschaftsformular durchgesehen hatte. »Da sind wir Nachbarn. Ich wohne in Nummer 65. Das rosarote Haus, kennen Sie es? Doll Cottage. Ich lebe seit Jahren dort. Und Sie?«
    »Mir gehört die Buchhandlung«, hatte er geantwortet. »Gleich gegenüber. Die Wohnung ist darüber. Aber ich hatte keine Ahnung ... Ich meine, ich habe Sie nie gesehen.«
    »Ach, ich gehe immer in aller Frühe aus dem Haus und komme meist erst spät zurück. Ich kenne Ihre Buchhandlung. Ich habe oft dort eingekauft. Jedenfalls, als Ihre Mutter sie noch führte. Vor dem Schlaganfall, meine ich. Und es geht ihr zum Glück immer noch gut. Sie ist deutlich auf dem Weg der Besserung, nicht wahr?«
    Erst glaubte er, Eugenie wolle sich erkundigen; als ihm klar wurde, dass das nicht der Fall war, dass sie vielmehr nur bekräftigte, was sie bereits wusste, fiel ihm auch ein, wo er sie früher schon gesehen hatte: im Quiet Pines Pflegeheim, wo er dreimal wöchentlich seine Mutter besuchte. Eugenie half dort morgens ehrenamtlich aus und wurde von den Patienten nur »unser Engel« genannt. So jedenfalls hatte Teds Mutter es

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