11 - Nie sollst Du vergessen
Sie muss unbedingt dünner werden. Sonst streikt demnächst ihr Herz, meint der Tierarzt. Tja, und nun machen wir also jeden Abend einen großen Rundgang um die Stadt. Hast du etwas dagegen, wenn wir dich begleiten, Eugenie? Du gehst nach Hause? Wäre das nicht die Gelegenheit zum Reden? Du hast doch gesagt, bald. Ich weiß nämlich, ehrlich gesagt, nicht, wie ich das noch länger aushalten soll, mir ständig Gedanken darüber zu machen, was du mir zu »beichten« hast, wie du es formuliert hast.
Das Problem war, dass er sich für sie entschieden hatte, ohne zu wissen, ob sie sich auch für ihn entschieden hatte. In den fünf Jahren seit Connies Tod hatte er es nicht nötig gehabt, um eine Frau zu werben; die Frauen warben um ihn, und das mit einer Aggressivität, die ihm widerwärtig war und durch die er sich einem Leistungsdruck ausgesetzt fühlte, unter dem er regelmäßig versagte. Dennoch war es natürlich sehr befriedigend, zu erleben, dass er auch in seinem Alter noch das gewisse Etwas besaß und dieses gewisse Etwas höchst begehrt war.
Nur Eugenie hatte bisher kein Begehren gezeigt. Und darum fragte sich Ted, ob er vielleicht Manns genug für alle anderen Frauen war - zumindest oberflächlich gesehen -, aber aus irgendeinem Grund nicht Manns genug für Eugenie.
Ach, verdammt, woher rührten diese ängstlichen Zweifel? Das war ja wie bei einem Halbwüchsigen, der noch nie mit einer Frau zusammen gewesen war! Sie hatten ihren Ursprung natürlich in seinem kläglichen Versagen bei den anderen Frauen, einem Versagen, das er in der Ehe mit Connie nicht gekannt hatte.
»Du solltest dich mal mit einem Arzt über dieses kleine Problem unterhalten«, hatte Georgia Ramsbotton gesagt, dieser Piranha in Menschengestalt. Sie hatte ihre knochigen Beine aus seinem Bett geschwungen und seinen Flanellmorgenrock übergezogen. »Das ist nicht normal, Ted, bei einem Mann deines Alters. Wie alt bist du - sechzig? Das ist einfach nicht normal.«
Achtundsechzig, hatte er gedacht, mit einem Geschlechtsorgan zwischen den Beinen, das sich trotz inbrünstiger An- und Zuwendungen nicht rührt.
Aber daran waren einzig diese aggressiven Frauen schuld. Wenn sie ihm die Rolle gelassen hätten, die die Natur dem Mann zugedacht hatte - die des Jägers und nicht die des Wildes -, dann hätte sich alles von selbst geregelt. Oder vielleicht doch nicht? Er musste unbedingt Gewissheit haben.
Eine plötzliche Bewegung hinter einem der erleuchteten Fenster der Gemeindehäuser lenkte ihn von seinen Gedanken ab. Er hob den Kopf und sah, dass eine Frau das Zimmer betreten hatte. Während er noch neugierig hinschaute, zog sie zu seiner Überraschung den roten Pulli, den sie anhatte, über den Kopf und ließ ihn zu Boden fallen.
Er spähte nach rechts und nach links. Seine Wangen brannten plötzlich trotz des eiskalten Regens. Merkwürdig, dass manche Leute anscheinend nicht wussten, wie verräterisch erleuchtete Fenster in der Nacht waren. Sie konnten nicht hinaussehen, also glaubten sie, man könne auch nicht hineinsehen. Kinder waren so. Teds drei Töchter waren von klein auf dazu angehalten worden, die Vorhänge zuzuziehen, bevor sie sich entkleideten. Aber wenn einem Kind das nicht beigebracht wird - wirklich merkwürdig, dass manche Leute nie gescheit wurden.
Verstohlen warf er noch einen Blick zu dem erleuchteten Fenster. Die Frau hatte ihren Büstenhalter abgelegt. Ted schluckte. PB, die er immer noch an der Leine hielt, begann im Gras zu schnüffeln, das den Fußweg begrenzte, und zog in aller Unschuld zu den Gemeindehäusern hinüber.
Lass sie von der Leine, sie läuft nicht weg. Stattdessen folgte Ted dem Zug der Leine.
Die Frau hinter dem Fenster begann sich das Haar zu bürsten. Bei jedem Bürstenstrich hoben sich ihre Brüste und sanken wieder herab, volle runde Brüste mit tiefbraunen Aureolen um die Brustwarzen. Ted starrte wie gebannt dorthin, als hätte er den ganzen Abend und alle Abende, die diesem hier vorausgegangen waren, nur auf dieses Schauspiel gewartet, und während er schaute und schaute, spürte er ein leises Ziehen und dann dieses befriedigende Aufwallen des Bluts und den Puls des Lebens.
Er seufzte. Gesundheitlich fehlte ihm nichts. Gar nichts. Gejagt zu werden, das war das Problem. Selbst zu jagen - und danach das Besitzrecht geltend zu machen und zu verteidigen - war die sichere Lösung.
Er nahm PB kurz, damit sie nicht noch weiterlaufen konnte, und blieb stehen, wo er war, um die Frau hinter dem Fenster zu
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