11 - Nie sollst Du vergessen
hatten es wirklich mit allem versucht, was man sich vorstellen kann, außer mit der Astrologie. Es hat mehrere Monate in Anspruch genommen, diese verschiedenen Wege auszuprobieren. Meine geschiedene Frau war einfach das letzte Mittel.« Er wartete einen Moment, während Lynley in sein Notizbuch schrieb, dann fügte er hinzu: »Ich wäre Ihnen übrigens sehr verbunden, wenn Sie diese Informationen vertraulich behandeln würden.«
Lynley blickte auf. »Bitte?«
»Ich bin nicht naiv, Inspector. Ich weiß, wie die Polizei arbeitet. Die Bezahlung ist bescheiden, also bessern sie sie auf, indem sie an Informationen weitergeben, was möglich ist, ohne gewisse Grenzen zu verletzen. Gut. Ich kann das verstehen. Man hat ja Familie. Aber dass die Probleme meines Sohnes in der Sensationspresse breitgetreten werden, ist wirklich das Letzte, was wir jetzt brauchen können.«
»Ich arbeite im Allgemeinen nicht mit den Zeitungen zusammen«, entgegnete der Inspector. Und nach einer Pause, während der er sich etwas notierte, fügte er hinzu: »Es sei denn, ich werde dazu gezwungen, Mr. Davies.«
Richard hörte offensichtlich die unterschwellige Drohung, denn er erwiderte hitzig: »Moment mal! Ich bin absolut kooperativ, da können Sie verdammt noch mal -«
»Richard!«Jill konnte nicht anders. Zu viel stand auf dem Spiel, um ihn ungehindert fortfahren und den Inspector verärgern zu lassen.
Richard klappte den Mund zu und sah sie an. Mit Blicken appellierte sie an seinen gesunden Menschenverstand. Sag ihm, was er wissen will, dann wird er uns in Ruhe lassen. Diesmal kam die Botschaft offenbar an.
»Na schön«, sagte er, »tut mir Leid«, an den Inspector gerichtet. »Mich regt das alles ziemlich auf. Erst mein Sohn, dann Eugenie. Nach diesen langen Jahren, und gerade als wir sie am dringendsten brauchten ... Ich gerate leicht aus der Fassung.«
Lynley sagte: »Hatten Sie eine Zusammenkunft mit Ihrem Sohn und Ihrer geschiedenen Frau arrangiert?«
»Nein. Ich hatte Eugenie angerufen und auf ihrem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen. Sie hat mich aber nicht zurückgerufen.«
»Wann hatten Sie telefoniert?«
»Anfang der Woche. Den Tag habe ich nicht mehr im Kopf. Dienstag vielleicht.«
»War es ihre Art, nicht zurückzurufen?«
»Ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich hatte in meiner Nachricht nichts von Gideon gesagt. Ich bat sie nur, mich gelegentlich anzurufen.«
»Und sie hat Sie nie von sich aus gebeten, sie mit Ihrem Sohn zusammenzubringen?«
»Nein. Weshalb hätte sie das tun sollen? Sie hat mich angerufen, als Gideon diese - nun, diese Schwierigkeiten bei seinem Auftritt hatte. Im Juli. Aber wenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihnen das bereits gestern gesagt.«
»Und als sie Sie anrief, ging es einzig um die Krankheit Ihres Sohnes?«
»Es ist keine Krankheit«, entgegnete Richard. »Es ist Lampenfieber, Inspector. Eine Blockade. So etwas kommt vor. Wie die Schreibhemmung bei einem Schriftsteller. Wie die plötzliche Unfähigkeit eines Bildhauers, aus einem Steinbrocken etwas zu schaffen. Wie ein Maler, der eine Woche lang keine inneren Bilder mehr hat.«
Er hörte sich an wie jemand, der krampfhaft versucht, sich selbst etwas einzureden, und Jill war klar, dass auch dem Inspector das auffallen musste. Bemüht, einen Ton zu finden, der nicht so klang, als wollte sie den Mann, den sie liebte, entschuldigen, sagte sie zu Lynley: »Wissen Sie, Richard hat für die Musik seines Sohnes sein Leben gegeben. Er hat seinen Sohn gefördert, wie das Eltern eines Wunderkinds tun müssen - ohne an sich selbst zu denken. Und wenn man sein Leben für etwas gibt, tut es natürlich sehr weh, mit ansehen zu müssen, wie das Projekt in Stücke zerfällt.«
»Wenn ein Mensch ein Projekt ist«, sagte der Inspector.
Sie errötete und verkniff sich eine Entgegnung. Schon gut, dachte sie, lass ihm ruhig das letzte Wort. Davon würde sie sich nicht ärgern lassen.
Der Inspector wandte sich Richard zu: »Hat Ihre geschiedene Frau während all dieser Telefongespräche jemals ihren Bruder erwähnt?«
»Wen? Doug?«
»Nein, den anderen, Ian Staines.«
»Ian?« Richard schüttelte den Kopf. »Kein einziges Mal. Soweit ich mich erinnere, hatte Eugenie ihn seit Jahren nicht gesehen.«
»Er sagte mir, dass sie Ihren gemeinsamen Sohn um ein Darlehen bitten wollte. Er steckt finanziell in der Klemme -«
»Wann steckt der nicht in der Klemme!«, unterbrach Richard.
»Er ist als Teenager von zu Hause durchgebrannt und hat die
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