11 - Nie sollst Du vergessen
Erfahrung der Zusammenarbeit mit verschiedenen Kollegen, und er hatte sich selbst diesen Grundsatz längst zu Eigen gemacht.
Nach dem Besuch in Yasmin Edwards' Laden plagte ihn den ganzen Nachmittag das ungute Gefühl, dass die junge Frau ihm etwas verheimlichte. Schließlich fuhr er mit seinem Wagen in die Kennington Park Road und postierte sich dort, in der einen Hand ein Lammsamosa, in der anderen einen Behälter mit Soße zum Tunken. Seine Mutter würde ihm das Abendessen warm halten, aber es würde vielleicht noch Stunden dauern, ehe er sich über das Hühnchengericht, ihr Spezialrezept, hermachen konnte, das sie ihm für den Abend versprochen hatte. Inzwischen brauchte er etwas, um seinen knurrenden Magen zu besänftigen.
Kauend hielt er den Blick auf die beschlagenen Fenster von Crushleys Wäscherei schräg gegenüber gerichtet. Er war vorher einmal langsam vorbeigegangen und hatte hineingeschaut, als jemand die Tür geöffnet hatte. Katja Wolff hatte, von Dampfwolken eingehüllt, hinten an einem Bügelbrett gestanden.
»Ist sie heute gekommen?«, hatte er ihre Arbeitgeberin gefragt, die er nicht lange nach seinem Besuch bei Yasmin Edwards angerufen hatte. »Nur eine Routineüberprüfung. Sie brauchen ihr nicht zu sagen, dass ich angerufen hab.«
»Ja«, sagte Betty Crushley, die nuschelte, als hätte sie eine dicke Zigarre zwischen den Lippen. »Hat sich ausnahmsweise mal wieder blicken lassen.«
»Das hört man doch gern.«
Und nun saß er hier und wartete darauf, dass Katja Wolff für diesen Tag mit der Arbeit Schluss machen und die Wäscherei verlassen würde. Wenn sie dann brav nach Hause in die Siedlung ging, würde er sich sagen müssen, dass sein Instinkt ihn getrogen hatte. Schlug sie jedoch einen anderen Weg ein, so hätte er wieder einmal den Beweis, dass er sich auf sein Gefühl verlassen konnte.
Er tunkte gerade den letzten Happen seines Samosas in die Soße, als die Frau endlich aus der Wäscherei herauskam. Hastig stopfte er das Gebäck in den Mund, um sofort in Aktion treten zu können. Doch Katja Wolff schien es nicht eilig zu haben. Mit der Jacke über dem Arm, blieb sie direkt vor der Wäscherei auf dem Bürgersteig stehen. Es war kalt, und ein scharfer Wind blies den Passanten Abgase und Gestank ins Gesicht, aber das schien sie nicht zu stören.
In aller Ruhe zog sie ihre Jacke an, nahm aus ihrer Tasche eine blaue Baskenmütze, und stülpte sie sich über das blonde Haar. Dann schlug sie den Jackenkragen hoch und nahm den Weg die Kennington Park Road hinunter in Richtung zur Siedlung.
Schon wollte Nkata seinen trügerischen Instinkt verfluchen, als Katja Wolff das Unerwartete tat. Anstatt in die Braganza Street einzubiegen, die zum Doddington Grove Estate führte, überquerte sie diese Straße und folgte ohne einen Blick in Richtung zu Hause weiter der Kennington Park Road. Sie ging an einem Pub vorüber, an einem Straßenimbiss, wo er zuvor das Samosa gekauft hatte, an einem Frisiersalon und einem Schreibwarengeschäft und blieb schließlich an einer Bushaltestelle stehen, wo sie sich eine Zigarette anzündete und zu der kleinen Gruppe Wartender gesellte. Die ersten zwei Busse, die kamen, ließ sie fahren, und stieg in den dritten ein, nachdem sie ihre Zigarette auf die Straße geworfen hatte. Als der Bus schwerfällig wieder auf die Fahrbahn rumpelte, reihte sich Nkata, froh, nicht in einem Streifenwagen zu sitzen, hinter ihm ein.
Die anderen Autofahrer auf der Straße verwünschten ihn wegen seiner unberechenbaren Fahrweise, die sich an der des Busses orientierte und dadurch auszeichnete, dass er immer wieder urplötzlich an den Bordstein fuhr und anhielt, und dann ebenso plötzlich wieder ausscherte und Gas gab. Mehr als ein Fahrer zeigte ihm den Finger, während er im Zickzack durch das Verkehrsgewühl kreuzte, und einmal hätte er beinahe einen Radfahrer mit Mundschutz angefahren, als der Bus schneller als erwartet an einer Bedarfshaltestelle vorbeibrauste.
Auf diese Art durchquerte er Südlondon. Katja Wolff saß am Fenster auf der Fahrbahnseite des Busses, sodass Nkata jedes Mal, wenn die Straße vor ihm eine Kurve machte, flüchtig ihre blaue Mütze erkennen konnte. Er war ziemlich sicher, dass er sie nicht übersehen würde, wenn sie ausstieg. Und so war es. Als der Bus nach einer Höllenfahrt durch den Berufsverkehr vor dem Bahnhof Clapham anhielt, sah er sie aussteigen.
Er glaubte, sie wollte dort einen Zug nehmen, und überlegte sich schon, wie er es anstellen
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