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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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seine Mutter gesehen. Aber er wusste nicht, dass sie es war, weil er sie seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Und das macht ihn total fertig, seit er gehört hat, dass sie - na ja, Sie wissen schon, dass sie umgebracht worden ist.« Sie warf einen vorsichtigen Blick auf Gideon.
    Er hatte die Augen immer noch geschlossen und schüttelte den Kopf, als wollte er alles verneinen, was ihn soweit getrieben hatte, einen Anwalt, den er nicht kannte, aufzufordern und zu bitten, seinetwegen seine Schweigepflicht zu verletzen. Libby wusste, dass es dazu nicht kommen würde. Nie im Leben würde Cresswell-White diese Frau, diese Katja Wolff, an Gideon ausliefern und damit Kopf und Kragen riskieren. Gott sei Dank. Das fehlte gerade noch, dass Gideon die Frau in die Hände bekam, die seine Schwester getötet hatte und vielleicht auch seine Mutter; dann würde er sein Leben endgültig verpfuschen.
    Aber Libby wusste, wie ihm zumute war, oder glaubte jedenfalls, es zu wissen. Gideon meinte, er hätte seine Chance auf Wiedergutmachung irgendeines Vergehens vertan, und zur Strafe wäre seine Musik ihm genommen worden. Das war doch im Grunde alles, worauf es hinauslief: auf diese Geige.
    Cresswell-White sagte: »Gideon, Katja Wolff ist den Zeitaufwand nicht wert, den es kosten würde, sie ausfindig zu machen. Diese Frau hat nie Reue gezeigt, sie war sich eines Freispruchs so sicher, dass sie niemals auch nur den Versuch unternahm, ihr Verhalten zu verteidigen. Ihr Schweigen sagte klar: ›Sollen die mir doch mal was nachweisen‹, und erst als die Fakten sich häuften - als am Leichnam Ihrer Schwester die früheren Verletzungen entdeckt wurden, die unbehandelt geblieben waren - und sie das Urteil hörte, hielt sie es für angebracht, etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen. Stellen Sie sich das doch einmal vor. Stellen Sie sich vor, was das für ein Mensch sein muss, der nach dem Tod eines Kindes, das seiner Fürsorge anvertraut war, hartnäckig jede Zusammenarbeit verweigert und nicht einmal zur Beantwortung der simpelsten Fragen bereit ist. Nach ihrer ersten Aussage vor der Polizei hat sie nicht eine Träne vergossen. Und sie wird auch jetzt nicht weinen. Das können Sie nicht von ihr erwarten. Sie ist nicht wie wir. Menschen, die Kinder quälen, sind niemals wie wir.«
    Libby beobachtete Gideon mit ängstlicher Aufmerksamkeit, während Cresswell-White sprach. Sie hoffte auf ein Zeichen, dass die Worte des Anwalts irgendeinen Eindruck bei ihm hinterließen. Aber er verursachte bei ihr nur ein Gefühl wachsender Verzweiflung, als er die Augen öffnete, aufstand und zu sprechen begann.
    Als hätte er Cresswell-Whites Worte nicht verstanden, sagte er:
    »Es ist ganz einfach so: Ich war ahnungslos, aber jetzt habe ich begriffen. Und ich muss sie finden.« Damit ging er zur Tür und griff sich dabei mit den Händen an die Stirn, als wollte er tun, was er vorher zu Libby gesagt hatte: sich das Gehirn aus dem Schädel reißen.
    »Es geht ihm nicht gut«, sagte Cresswell-White zu Libby.
    Worauf sie erwiderte: »Was Sie nicht sagen«, und Gideon nacheilte.
    Raphael Robsons Haus in Gospel Oak lag ein Stück zurückgesetzt von einer stark belebten Straße des Viertels. Es entpuppte sich als ein imposanter, aber heruntergekommener Bau Edwardianischen Stils, der dringend der Renovierung bedurfte. Der mit Kies bedeckte Vorgarten war von einer Eibenhecke umgeben und diente als Parkplatz. Als Lynley und Nkata eintrafen, standen drei Fahrzeuge vor dem Haus: ein schmutziger weißer Lieferwagen, ein schwarzer Vauxhall und ein silbergrauer Renault. Lynley registrierte mit einem Blick, dass der Vauxhall nicht alt genug war, um das von ihnen gesuchte Fahrzeug sein zu können.
    Ein Mann kam von hinten um das Haus herum, als sie auf dem Weg zur Haustür waren. Er hielt auf den Renault zu, ohne sie zu bemerken. Als Lynley ihn ansprach, blieb er stehen, in der Hand schon die Schlüssel, um den Wagen aufzusperren.
    Ob er Raphael Robson sei?, fragte Lynley und zeigte seinen Dienstausweis.
    Der Mann mit dem aschblonden, schütteren Haar, das in langen, lichten Strähnen nach rechts über den kahlen Schädel gekämmt war, hatte wenig Anziehendes. Seine Haut war fleckig von zu vielen Urlaubstagen an den hochsommerlichen Stranden des Mittelmeers, und seine Schultern waren bedeckt mit Schuppen. Er warf einen kurzen Blick auf Lynleys Ausweis und sagte, ja, er sei Raphael Robson.
    Lynley stellte Nkata vor und fragte, ob man irgendwo in Ruhe miteinander

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