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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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verkörperte. Ist doch klar, dass sie niemals zugeben würde, dass eine andere dort Erfolg hatte, wo sie scheiterte. Und du kennst dich ja wohl in der elementaren menschlichen Psychologie gut genug aus, um mal darüber nachzudenken.«
    Es blieb mir gar nichts anderes übrig. Ich rief mir den Besuch in Cheltenham ins Gedächtnis, um das, was Sarah-Jane mir erzählt hatte, gegen das abzuwägen, was mein Vater jetzt behauptete. Hatten Sarah-Janes Bemerkungen über Katja Wolff so etwas wie rachsüchtige Genugtuung enthalten? Oder hatte sie sich lediglich bemüht, eine Frage zu beantworten, die ich ihr gestellt hatte? Hätte ich sie einzig mit dem Wunsch aufgesucht, die alte Verbindung zu ihr aufzufrischen, hätte sie sicher nicht aus eigenem Antrieb das Gespräch auf Katja oder jene Zeit damals gelenkt. Aber verlangte nicht das, was der Eifersucht zu Grunde lag, danach, dass das Objekt dieses negativen Gefühls bei jeder Gelegenheit schlecht gemacht und verhöhnt wurde? Wenn sie also tatsächlich von gemeiner Eifersucht getrieben wäre, hätte sie dann nicht von sich aus das Thema Katja Wolff zur Sprache gebracht? Und einmal abgesehen davon, was für Gefühle sie Katja Wolff vor zwanzig Jahren entgegengebracht hatte, weshalb sollte sie noch heute von diesen Gefühlen beherrscht sein? So, wie sie da in ihrem schicken kleinen Häuschen in Cheltenham saß, gut situierte Ehefrau, Mutter, Puppensammlerin, Malerin ordentlicher, wenn auch nicht genialer Aquarelle, hatte sie doch kaum Anlass, bei der Vergangenheit zu verweilen.
    In meine Überlegungen hinein sagte mein Vater schroff: »Das geht jetzt weiß Gott lange genug, Gideon«, und setzte damit meinen Spekulationen ein abruptes Ende.
    »Was meinst du?«, fragte ich.
    »Dieses ganze Theater. Diese Nabelbeschau. Ich bin am Ende meiner Geduld. Du kommst jetzt mit. Wir werden den Stier endlich bei den Hörnern packen.«
    Ich glaubte, er wollte mir etwas sagen, was ich noch nicht gehört hatte, darum folgte ich ihm. Ich erwartete, er werde mich in den Garten führen, um unter vier Augen mit mir zu sprechen, außer Hörweite von Jill, die zufrieden in der Küche zurückblieb und ihre Farbmuster auf dem Fensterbrett auslegte. Aber statt dessen ging er zur Straße hinaus und rannte beinahe zu seinem Wagen, der auf halbem Weg zwischen den Cornwall Gardens und der Gloucester Road geparkt war.
    »Steig ein!«, befahl er mir, nachdem er aufgesperrt hatte. Und als ich zögert: »Verdammt noch mal, Gideon. Du sollst einsteigen!«
    »Wohin fahren wir?«, fragte ich, als er den Motor anließ.
    Er legte krachend den Rückwärtsgang ein, manövrierte den Wagen aus der Lücke und gab Gas. Wir schossen die Gloucester Road hinauf, direkt auf das schmiedeeiserne Tor am Eingang der Kensington Gardens zu.
    »Dorthin, wo wir jetzt fahren, hätten wir gleich fahren sollen«, antwortete er.
    In der Kensington Road hielt er sich in östlicher Richtung und raste, wie ich das noch nie bei ihm erlebt hatte, im Slalom zwischen Taxis und Bussen hindurch, und einmal, als in der Nähe der Albert Hall zwei Frauen über die Straße rannten, hupte er, als wollte er überhaupt nicht mehr aufhören. Scharf links an der Exhibition Road, und wir waren im Hyde Park. Auf dem South Carriage Drive legte er noch an Tempo zu und behielt die WahnSinnsgeschwindigkeit dann die ganze Park Lane hinunter bei Erst als wir Marble Arch hinter uns gelassen hatten, erkannte ich wohin es ging. Aber ich sagte nichts.
    Als er den Wagen schließlich in der Tiefgarage am Portman Square abstellte, wo er immer parkte, wenn ich in der Nähe ein Konzert gab, fragte ich: »Was soll das, Dad?«, und versuchte, Geduld zu zeigen, obwohl ich Angst bekam.
    »Du wirst jetzt endlich aufhören mit diesem Quatsch«, sagte er.
    »Bist du Manns genug, mitzukommen, oder hast du mit den Nerven auch den Mut verloren?«
    Er stieß seine Tür auf, stieg aus und blieb stehen, um auf mich zu warten. Mir wurde heiß und kalt bei dem Gedanken daran, was die nächsten Minuten mir vielleicht bringen würden. Aber ich stieg aus dem Wagen. Und Seite an Seite gingen wir die Wigmore Street hinauf zur Wigmore Hall.
    Was war das für ein Gefühl?, fragen Sie mich. Was haben Sie dabei empfunden, Gideon?
    Es war wie damals, am Abend des Konzerts. Nur war ich an dem Abend allein, weil ich direkt vom Chalcot Square gekommen war.
    Ich gehe die Straße hinunter und habe keine Ahnung, was auf mich wartet. Ich bin nervös, aber nicht mehr als sonst vor einem Auftritt. Davon

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