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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ganz besonderen Platz in seinem Leben einnahm.
    Tja, so bestimmt unsere Vergangenheit unsere Gegenwart, dachte Leach jetzt. Wir merken es gar nicht, aber jedesmal, wenn wir zu einer Schlussfolgerung gelangen, uns ein Urteil bilden oder eine Entscheidung treffen, haben wir die Jahre unseres Lebens im Rücken, die uns ständig beeinflussen, ohne dass wir uns dieses Einflusses, der unsere Persönlichkeit prägt, überhaupt bewusst sind.
    Er fuhr nach Hammersmith. Er redete sich ein, er brauchte ein paar Minuten für sich, um sich von der Szene mit Bridget zu erholen, indem er den Wagen kreuz und quer durch die Stadt lenkte, aber immer in südlicher Richtung, bis er nur noch einen Katzensprung vom Charing Cross Hospital entfernt war. Dort beendete er die Fahrt und machte die Intensivstation ausfindig.
    Er könne Webberly nicht sehen, teilte ihm die zuständige Schwester mit, als er durch die Schwingtür trat. Nur Angehörige dürften einen Patienten auf der Intensivstation besuchen. Ob er zur Familie gehöre?
    O ja, dachte er. Und seit langem schon, wenn er sich das auch niemals wirklich eingestanden und Webberly es nie gemerkt hatte. Aber laut sagte er: »Nein. Nur ein Kollege. Der Superintendent und ich haben lange zusammengearbeitet.«
    Die Schwester nickte. Sie machte eine Bemerkung darüber, wie schön es sei, dass so viele Kollegen vorbeigekommen waren, angerufen hatten, Blumen geschickt und sich zum Blutspenden angeboten hatten. »Blutgruppe B«, fügte sie erläuternd hinzu. »Sie sind wohl nicht zufällig ...? Oder Null vielleicht, die Universalgruppe, aber das wissen Sie wahrscheinlich.«
    »AB negativ.«
    »Oh, das kommt sehr selten vor. Könnten wir in diesem Fall nicht gebrauchen, aber Sie sollten regelmäßig spenden, wenn ich das mal sagen darf.«
    »Kann ich irgendetwas ...?« Er wies mit einer Kopfbewegung zu den Zimmern.
    »Seine Tochter ist bei ihm. Und sein Schwager. Im Moment kann man gar nichts tun ...«
    »Hängt er immer noch an den Geräten?«
    Sie machte eine bedauernde Miene. »Es tut mir wirklich Leid, aber ich darf keine nähere Auskunft ... Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür. Aber wenn ich fragen darf -beten Sie?«
    »Nicht regelmäßig.«
    »Es hilft manchmal.«
    Doch Leach meinte, er könne Nützlicheres tun als beten. Zum Beispiel, das Ermittlungsteam auf Trab bringen, um wenigstens bei der Suche nach dem Schwein, das Malcolm das angetan hatte, Fortschritte zu machen.
    Gerade wollte er sich von der Schwester verabschieden, als eine junge Frau im Jogginganzug und mit offenen Turnschuhen aus einem der Zimmer trat. Die Schwester rief sie heran und sagte:
    »Der Herr hier hat sich nach Ihrem Vater erkundigt.«
    Leach hatte Miranda Webberly zuletzt als Kind gesehen. Sie war ihrem Vater sehr ähnlich geworden: der gleiche stämmige Wuchs, das gleiche rostrote Haar, der gleiche gesunde Teint, selbst das Lächeln, das an den Augenwinkeln Fältchen hervorrief und ein Grübchen in der linken Wange, war das Gleiche. Sie wirkte auf ihn wie eine junge Frau, die von modischem Firlefanz nichts hielt, und das gefiel ihm.
    Sie sprach mit leiser Stimme von ihrem Vater: dass er das Bewusstein nicht wiedererlangt hatte, dass es heute »eine ziemlich schlimme Krise mit seinem Herzen« gegeben, sich sein Zustand aber nun, Gott sei Dank, stabilisiert hatte, dass die Blutsenkung - »Ich glaube, es waren die weißen Blutkörperchen, oder? Aber vielleicht waren es auch die anderen.« - auf eine innere Blutung hinwies, die bald gefunden werden musste, weil sonst die Transfusionen, die er erhielt, umsonst wären.
    »Es heißt, dass man sogar im Koma noch hören kann, darum habe ich ihm vorgelesen«, berichtete Miranda. »Ich habe natürlich in Cambridge nicht daran gedacht, etwas mitzunehmen, aber Onkel David ist losgegangen und hat ein Segelbuch gekauft, ich glaube, er hat das Erstbeste genommen, das ihm in die Hände fiel. Es ist leider furchtbar langweilig, wahrscheinlich falle ich selbst ins Koma, wenn ich da noch lange weiterlese. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass mein Vater vor lauter Spannung aus der Bewusstlosigkeit erwachen wird. Er liegt allerdings hauptsächlich im Koma, weil sie es so wollen. Zumindest haben sie mir das erklärt.«
    Ihr schien viel daran zu liegen, Leach das Gefühl zu vermitteln, dass er willkommen war, dass sein klägliches Bemühen, zu helfen, dankbar gewürdigt wurde. Sie sah erschöpft aus, aber sie war ruhig und schien nicht zu erwarten, dass irgendein anderer

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