11 - Nie sollst Du vergessen
ihn sich bei einem Anwalt wünscht.
»Ja, bitte?«, fragte die Frau mittleren Alters, die an einem Schreibtisch mit Bildschirm und Tastatur saß und, nach den kleinen Stöpseln in ihren Ohren zu urteilen, gerade nach Diktat schrieb. Sie trug korrektes Marineblau mit Creme, einen adretten Kurzhaarschnitt, der von einer ersten grauen Strähne durchzogen war, und hatte die dunkelsten Augenbrauen, die man sich vorstellen konnte. Und den feindseligsten Blick, den Nkata, der die argwöhnischen Blicke weißer Frauen gewöhnt war, je hatte aushalten müssen.
Er zeigte ihr seinen Ausweis und bat um ein Gespräch mit der Anwältin. Einen Termin habe er nicht, teilte er der Frau mit, bevor sie danach fragen konnte, aber Mrs. Lewis werde sicherlich ...
»Miss Lewis«, verbesserte ihn die Empfangsdame und entfernte ihre Ohrstöpsel.
... bereit sein, ihn zu empfangen, wenn sie hörte, dass er wegen Katja Wolff hier sei. Er legte seine Karte auf den Tisch und fügte hinzu: »Geben Sie ihr die bitte. Und sagen Sie ihr, dass wir heute Morgen miteinander telefoniert haben. Ich denke, sie wird sich erinnern.«
Die Empfangssekretärin wartete demonstrativ, bis Nkata seine Finger von der Karte genommen hatte, ehe sie sie ergriff.
»Bitte warten Sie hier«, sagte sie und stand auf, um nach nebenan zu gehen. Vielleicht zwei Minuten später kehrte sie zurück und setzte den Kopfhörer wieder auf. Ohne einen Blick in Nkatas Richtung, begann sie wieder zu tippen, und ihm wäre vielleicht die Galle hochgekommen, hätte er nicht früh im Leben gelernt, das Verhalten weißer Frauen als das zu erkennen, was es im Allgemeinen war: plump und dumm.
Er sah sich also die Bilder an den Wänden an - alte Schwarzweiß-Aufnahmen von Frauenköpfen, die ihn an Zeiten erinnerten, als das britische Empire noch rund um den Globus reichte -, und als er damit fertig war, nahm er eine Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift Ms. zur Hand und vertiefte sich in einen Artikel über Alternativen zur Totaloperation, von einer Autorin, die einen gigantischen Komplex zu haben schien.
Er setzte sich nicht, und als die Empfangssekretärin mit bedeutungsvoller Betonung sagte: »Es wird eine Weile dauern, Constable, da Sie ja nicht angemeldet waren«, entgegnete er: »Ja, so ist das mit Morden, nicht? Die melden sich nie an.« Und er lehnte sich mit einer Schulter an die helle gestreifte Tapete und schlug mit der flachen Hand dagegen, wobei er sagte: »Echt schön, das Muster. Hat es einen Namen?«
Er bemerkte genau, wie die Frau auf der Suche nach Fettflecken mit Argusaugen die Stelle musterte, die er berührt hatte. Sie gab ihm keine Antwort. Er nickte ihr freundlich zu, öffnete seine Zeitschrift wieder und lehnte seinen Kopf an die Tapete.
»Wir haben ein Sofa, Constable«, sagte die Empfangssekretärin.
»Ich hab schon den ganzen Tag gesessen«, gab er zurück und fügte dann mit einer Grimasse hinzu: »Hämorrhoiden, wissen Sie.«
Das wirkte. Sie stand auf, verschwand im Zimmer nebenan und kam innerhalb einer Minute zurück. Sie trug ein Tablett mit den Resten des Nachmittagstees und sagte, er könne jetzt hineingehen.
Nkata lächelte vor sich hin.
Harriet Lewis, ganz in Schwarz wie am vergangenen Abend, stand hinter ihrem Schreibtisch, als er in ihr Büro trat. Sie sagte:
»Wir haben uns bereits unterhalten, Constable. MUSS ich einen Kollegen anrufen?«
»Wieso? Haben Sie das nötig?«, fragte Nkata. »Eine Frau wie Sie hat doch bestimmt keine Angst, für sich selbst einzustehen.« »Eine Frau wie ich«, äffte sie ihn nach, »ist nicht naiv. Ich sage meinen Mandanten den ganzen Tag nichts anderes, als dass sie in Anwesenheit der Polizei den Mund halten sollen. Ich wäre ja wohl ziemlich dumm, würde ich nicht meinen eigenen Rat beherzigen.«
»Noch dümmer wären Sie, wenn Sie es so weit kommen ließen, dass sie eine Klage wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen an den Hals kriegten.«
»Sie haben ja noch nicht einmal jemanden festgenommen. Da bekämen Sie keinen Fuß auf den Boden.«
»Es ist noch nicht aller Tage Abend.«
»Drohen Sie mir nicht.«
»Dann machen Sie doch Ihren Anruf«, sagte Nkata und schlenderte zu der Sitzgruppe auf der anderen Seite des Raums. »Ah«, sagte er, als er sich setzte. »Puh! Tut gut, mal wieder die Beine auszuruhen.« Mit einer Kopfbewegung wies er zu ihrem Telefon.
»Bitte. Tun Sie sich keinen Zwang an. Ich kann warten. Meine Mutter ist eine Top-Köchin, die hält mir mein Essen schon warm.«
»Was soll
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