11 - Nie sollst Du vergessen
Und bei diesem Bild vom reinen Tisch wurde ihr alles klar: Wie andere einen Menschen betrachten und sich anhand seines Gesichts, seiner Art sich auszudrücken und seiner Körperhaltung ein Bild von ihm machen, an dem sie - allen Indizien für eine Täuschung zum Trotz - eisern festhalten. Und warum? Weil die Menschen unbedingt glauben wollen.
»Sie war nicht zu Hause«, sagte sie. »Wir haben nicht ferngesehen. Sie war nicht da.«
Sie beobachtete, wie der Brustkorb des Polizisten langsam einsank, als hätte er seit dem Moment seiner Ankunft die Luft angehalten, weil er nicht glauben konnte, dass Yasmin Edwards ihn am Morgen eigens angerufen hatte, weil sie ihre Freundin verraten wollte.
»Wo war sie?«, fragte er. »Hat sie es Ihnen gesagt, Mrs. Edwards? Wann ist sie nach Hause gekommen?«
»Neunzehn Minuten vor eins.«
Er nickte. Er bemühte sich, cool zu bleiben, während er schrieb, aber Yasmin wusste genau, was sich in seinem Kopf abspielte. Er rechnete. Er verglich das Ergebnis seiner Berechnungen mit Katjas Lügen. Und er frohlockte, dass sein Einsatz sich gelohnt und er das Spiel gewonnen hatte.
21
Zum Abschluss sagte sie: »Und wir wollen doch eines nicht vergessen, Eric. Du warst derjenige, der die Scheidung wollte. Wenn du also nicht damit umgehen kannst, dass ich jetzt mit Jerry zusammen bin, dann tu nicht so, als wäre das Esmes Problem.« Und dabei hatte sie ihn so gottverdammt triumphierend angesehen, mit einem Gesicht, als wollte sie sagen: Tja, da staunst du, was? Ich hab tatsächlich jemanden gefunden, der mich mag. Dass Leach einen Moment lang allen Ernstes seine zwölfjährige Tochter dafür verwünschte, dass sie ihn überhaupt so weit gebracht hatte, dieses Gespräch mit ihrer Mutter zu führen.
»Ich habe ein Recht darauf, neue Bekanntschaften zu machen«, hatte Bridget mit Nachdruck erklärt. »Du selbst hast mir dieses Recht gegeben.«
»Lieber Gott, Bridg«, hatte er gesagt. »Es ist doch nicht so, dass ich eifersüchtig bin. Es geht um Esme, sie ist völlig aus dem Häuschen, weil sie glaubt, du willst wieder heiraten.«
»Das will ich auch.«
»Gut, meinetwegen. Aber sie meint, du hättest dich bereits für diesen Burschen entschieden und -«
»Und wenn? Gibt es vielleicht etwas dagegen einzuwenden, wenn es mir gut tut, begehrt zu werden? Mit einem Mann zusammen zu sein, den ein nicht mehr ganz so straffer Busen und ein paar Charakterfalten im Gesicht nicht stören? So nennt er sie nämlich, Eric, Charakterfalten.«
»Das ist doch nichts als Schmeichelei.«
»Belehr du mich bitte nicht darüber, was das ist. Sonst werden wir mal diskutieren, was es bei dir ist: Altersschwachsinn, verlängerte Spätpubertät, adoleszentes Irresein - soll ich fortfahren? Nein? Na gut, das dachte ich mir schon.« Und weg war sie.
Sie kehrte in das Zimmer ihrer Grundschulklasse zurück, aus dem Leach sie zehn Minuten zuvor von der Tür aus winkend herausgeholt hatte, nachdem er zuerst pflichtschuldig bei der Direktorin angefragt hatte, ob er bitte Mrs. Leach einen Moment sprechen könne. Die Direktorin hatte gemeint, es sei doch äußerst ungewöhnlich, dass ein Vater während des Unterrichts erscheine, um einen Lehrer zu sprechen; aber als Leach sich daraufhin vorstellte, war sie nicht nur freundlicher geworden, sondern auffallend Anteil nehmend, was Leach als Indiz dafür sah, dass die bevorstehende Scheidung und Bridgets neue Liebesbeziehung in der Schule ein offenes Geheimnis waren. Er hätte gern gesagt: Hey, es juckt mich überhaupt nicht, dass sie einen neuen Kerl hat, aber er war nicht so sicher, ob das wirklich stimmte. Immerhin konnte er angesichts des neuen Kerls ein wenig zurückstecken mit seinen Schuldgefühlen darüber, dass er derjenige war, der gegangen war, und als seine Frau ihm jetzt den Rücken kehrte, versuchte er, ausschließlich daran zu denken.
»Hör mal, Bridg, es tut mir Leid«, sagte er zu seiner sich entfernenden Frau, aber er sagte es nicht sehr laut, und er wusste, dass sie seine Worte nicht hören konnte, und er fragte sich, wofür er sich überhaupt entschuldigte.
Aber er spürte natürlich seinen verletzten Stolz, während er ihr nachblickte. Und darum versuchte er, sein Bedauern darüber, wie sie auseinander gegangen waren, wegzuschieben, und sagte sich, er habe ganz richtig gehandelt. Wenn sie so schnell Ersatz für ihn gefunden hatte, konnte man kaum noch daran zweifeln, dass ihre Ehe schon lange zu Ende gewesen war, als er die Tatsache zum ersten Mal
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