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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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irgendeine Art mit Ihrer Musik verknüpft ist, dann müssen wir diese Musik vielleicht viel, viel aufmerksamer betrachten, um auf den Schlüssel zu Ihren Leiden zu stoßen.
    Ich lache und sage: War das Wortspiel beabsichtigt?
    Und Sie sehen mich mit diesem ernsten, durchdringenden Blick an, nicht bereit, auf Leichtfertigkeiten einzugehen. Bartok, sagen Sie, über den Sie zuletzt geschrieben haben, die Violinsonate - ist das das Musikstück, das Sie mit Libby verknüpfen?
    Ja, das stimmt, ich verknüpfe die Sonate mit Libby. Aber Libby hat mit meinem gegenwärtigen Problem nichts zu tun. Das versichere ich Ihnen.
    Mein Vater hat das Tagebuch übrigens entdeckt. Als er vorbeikam, um nach mir zu sehen, fand er es auf der Fensterbank. Und bevor Sie fragen - nein, er hat nicht darin herumgeschnüffelt. Er ist vielleicht rücksichtslos in seiner Zielstrebigkeit, aber ein Spitzel ist er nicht. Er hat lediglich die letzten fünfundzwanzig Jahre seines Lebens daran gegeben, um die Karriere seines einzigen Kindes zu fördern, und er möchte natürlich, dass diese Karriere sich weiter entwickelt und nicht in einem plötzlichen Abbruch endet.
    Ich werde allerdings nicht mehr lang sein einziges Kind sein. Daran habe ich in den letzten Wochen gar nicht mehr gedacht. Jill ist ja auch noch da. Ich kann mir nicht vorstellen, in meinem Alter einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester zu bekommen, geschweige denn eine Stiefmutter, die nicht einmal zehn Jahre älter ist als ich. Aber wir leben in einer Zeit der flexiblen Familien, und es ist wohl das Klügste, man passt sich den gleitenden Definitionen an.
    Trotzdem finde ich es ziemlich merkwürdig, dass es meinem Vater jetzt noch einfällt, eine neue Familie zu gründen. Ich habe natürlich nicht erwartet, dass er nach der Scheidung auf immer und ewig allein bleiben würde. Aber nach beinahe zwanzig Jahren, in denen er meines Wissens niemals auch nur mit einer Frau befreundet war, geschweige denn eine engere Beziehung hatte, bei der man sich körperliche Intimität hätte vorstellen können, überrascht mich dieser Entschluss doch sehr.
    Ich lernte Jill bei der BBC kennen, als ich mir den Rohschnitt eines Dokumentarberichts ansah, der im East London Conservatory gedreht worden war. Das ist inzwischen mehrere Jahre her, Jill hatte damals gerade diese hervorragende Bearbeitung von Desperate Remedies herausgebracht. Haben Sie die übrigens gesehen? Sie ist eine große Verehrerin von Thomas Hardy. Sie arbeitete damals in der Dokumentarfilmabteilung der BBC, wenn das die richtige Bezeichnung ist. Mein Vater muss sie ebenfalls um diese Zeit kennen gelernt haben, aber ich erinnere mich nicht, die beiden je zusammen gesehen zu haben, und ich habe keine Ahnung, wann die Beziehung zwischen ihnen begonnen hat. Ich weiß nur noch, dass mein Vater mich einmal zu sich zum Essen einlud und ich Jill dort in der Küche antraf. Sie stand am Herd und kochte irgendetwas. Ich wunderte mich zwar, sie zu sehen, glaubte aber, sie wäre nur gekommen, um uns die Endfassung des Dokumentarberichts zur Begutachtung zu bringen. Kann sein, dass sich damals etwas anbahnte. Mein Vater stand, wenn ich mich jetzt erinnere, nach diesem Abend jedenfalls nicht mehr so uneingeschränkt wie bisher zu meiner Verfügung. Also hat die Geschichte vielleicht damals angefangen. Aber da Jill und mein Vater nie zusammenlebten - das soll sich meinem Vater zufolge nach der Geburt des Kindes ändern -, hatte ich im Grunde keinen Anlass, anzunehmen, dass irgendetwas zwischen ihnen wäre.
    Und jetzt, wo Sie es wissen?, fragen Sie. Wie empfinden Sie es? Wann haben Sie von der Beziehung Ihres Vaters erfahren? Wann von dem Kind? Und wo war das?
    Ich weiß schon, worauf Sie hinaus wollen. Aber ich muss Sie enttäuschen, Sie sind auf dem Holzweg, Dr. Rose.
    Ich habe bereits vor einigen Monaten von der Beziehung meines Vaters zu Jill erfahren, nicht am Tag des Konzerts in der Wigmore Hall, nicht einmal in derselben Woche oder im selben Monat. Und es war weit und breit nirgends eine blaue Tür, als ich die freudige Nachricht von der baldigen Geburt meines künftigen Halbgeschwisters erhielt. Sehen Sie, ich wusste doch gleich, worauf Sie hinaus wollen.
    Aber wie empfanden Sie es?, fragen Sie wieder, dass Ihr Vater nach so vielen Jahren eine zweite Ehe eingehen wollte - Es ist nicht die Zweite, korrigiere ich Sie sogleich. Es ist die Dritte!
    Die dritte Ehe? Sie sehen die Notizen durch, die Sie sich während unserer Sitzungen gemacht haben,

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