110 - Im Reich der Seehexen
einem Toten an Bord könnten wir sowieso nicht länger hier draußen bleiben.«
»Was werden wir den Behörden sagen?« fragte James Wallace.
»Die Wahrheit«, erwiderte Elliott Hyams.
Wallace schaute ihn groß an. »Die Wahrheit? Kein Mensch würde sie uns glauben. Hättest du die Geschichte geglaubt, wenn sie dir jemand vor einer Woche erzählt hätte?«
»Weiß ich nicht.«
»Bestimmt nicht«, sagte Wallace. »Du bist erst klüger geworden, seit wir hier draußen sind.«
»Ich bin Arzt«, sagte George Leacock. »Ich werde als Todesursache Herzversagen angeben. Niemand wird es bezweifeln.«
Wallace schüttelte zornig den Kopf. »Wir waren so fröhlich, als wir ausliefen. Warum konnte das nicht so bleiben? Warum mußte so etwas Schreckliches passieren?«
Wieder drängte Elliott Hyams zum Aufbruch.
Die Freunde begaben sich an Deck, und George Leacock wollte die Maschine starten, doch er schaffte es nicht.
»Laß mich mal«, verlangte James Wallace nervös und drängte Doc Leacock zur Seite.
Aber auch bei ihm kam die Maschine nicht in Gang.
»Verflucht, auch das noch!« stieß Wallace wütend hervor.
»Das ist keine technische Panne«, sagte Elliott Hyams leise. »Daran sind die Hexen schuld!«
Leacock und Wallace sahen einander betroffen an.
Sie befürchteten, daß ihr Freund recht hatte.
***
Wir hörten, wie die Gladiatoren das Reisig vor der Kellertür aufschichteten. Woher sie es so schnell nahmen, war mir ein Rätsel. Ich versuchte nicht, es zu ergründen.
»O Gott, wir werden sterben«, jammerte Renata Gallone.
»Bitte sei still, Renata«, sagte Giuliano Rovere. »Ich glaube noch nicht, daß wir verloren sind.«
»Wie sollten wir jetzt noch davonkommen?« fragte das Mädchen weinerlich.
»Es gibt immer noch Hoffnung…«
»Mach dir doch nichts vor, Giuliano. Wenn sie dieses Reisig in Brand stecken, sind wir erledigt. Entweder bringt uns das Feuer um, oder der Rauch - oder wir laufen den Gladiatoren direkt in die Arme.«
Ich fragte Mr. Silver, ob er eine Möglichkeit sehe, das Eindringen des Rauchs zu verhindern.
»Ich kann nichts tun«, sagte der Ex-Dämon niedergeschlagen. Er litt darunter, nicht mehr seine volle Stärke ausspielen zu können.
»Verdammt!« knurrte ich. »Hätte der Zeitriß nicht eine Stunde länger offen bleiben können?«
»Für viele andere Menschen ist es gut, daß er sich geschlossen hat«, sagte Mr. Silver. »Dadurch ist die Gefahr gebannt, daß sich die Gladiatoren weitere Opfer holen.«
»Sie müssen sich mit uns begnügen«, knirschte ich. »Und ihr Herz ist voll von Rachegelüsten.«
Die Kämpfer beendeten ihre Arbeit. Camenus befahl ihnen, das Reisig in Brand zu setzen.
Jenseits der Tür begann es zu knistern und zu prasseln. Mr. Silver und ich wichen zurück. Renata Gallone weinte verzweifelt.
Beißender Rauch drang durch alle Ritzen. Er reizte unsere Lungen. Wir fingen an zu husten.
»Sie kriegen uns«, sagte Giuliano leise.
»Wir müssen sie überrumpeln!« sagte ich spontan. »Camenus und seine Männer rechnen bestimmt nicht damit, daß wir jetzt noch einen Durchbruch versuchen, und genau das ist möglicherweise unsere Chance.«
»Was ist denn das für eine Chance?« fragte Giuliano Rovere. »Sie warten draußen auf uns, und sie sind in der Überzahl.«
»Wir sollten den Durchbruch versuchen«, sagte Mr. Silver. »Und zwar jetzt gleich.«
»Noch bevor uns der Rauch schwächt«, sagte ich.
»Ich bin auch dafür, daß wir es versuchen«, sagte Carmine Rovere.
»Gut«, sagte Mr. Silver. »Dann kommt. Tony und ich breschen vor. Wir überrennen jene, die sich uns in den Weg stellen. Ihr braucht nur so dicht wie möglich hinter uns zu bleiben.«
»Das klappt nicht«, sagte Renata Gallone. »Das kann nicht klappen.«
»Laß es uns versuchen«, sagte Carmine Rovere. »Laß es uns wenigstens versuchen, okay?«
»Seid ihr soweit?« fragte Mr. Silver. Ich zog meinen Colt Diamondback. Ich wollte meine Haut so teuer wie möglich verkaufen.
Mr. Silver öffnete den Riegel. »Fertig?« fragte er.
»Fertig«, antwortete ich mit Nerven die bis zum Zerreißen gespannt waren.
»Dann los!« zischte Mr, Silver und riß die Tür auf.
***
»Es liegt nur am Motor!« sagte Doc Leacock. »Freunde, wir dürfen uns jetzt nicht verrückt machen.«
Elliott Hyams’ Blick schweifte über das Meer. »Sie lassen uns nicht fort.«
»Nicht alles, was von jetzt an schiefgeht, geht auf das Konto dieser Unterwasserhexen«, sagte Leacock leidenschaftlich. »Eine Panne
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