1103 - Aussenseiter der Armada
stehst?"
„Nein. Ich bin hier lediglich vorbeikommen, als sich plötzlich alles um mich drehte. Deshalb habe ich haltgemacht, bis es mir bessergeht."
Ich konnte nicht anders, als Farslyinas Kaltblütigkeit zu bewundern. Trotz der brisanten Situation behielt sie Übersicht und Nerven. Sie würde so schnell nichts zugeben, und ich begriff, daß sie diese Haltung wiederum auch für mich einnahm - damit ich Zeit zur Flucht fand; damit mir die Chance blieb, die sie ihrem eigenen Sohn nicht mehr zu gewähren vermochte... „Kannst du laufen?" wollte der Armadamonteur wissen. „Ja. Ich sagte doch, daß der Anfall langsam abklingt."
„Dann folge mir. Ein Arzt soll dich untersuchen."
„Nicht nötig", wehrte Farslyina ab. „Es ist gleich vorbei. Ich will niemandem zur Last fallen."
„Nur ein Arzt kann beurteilen, wie es um deine Gesundheit bestellt ist", beharrte der Roboter. „Komm deshalb mit mir."
Ein Kolkok, der etwas abseits gestanden und den Dialog verfolgt hatte, mischte sich jetzt ein.
Er trat rasch näher und packte Farslyina an einem ihrer Ärmchen. „Du solltest auf ihn hören. Er meint es gut mit dir."
„Laß mich in Ruhe! Ich entscheide selbst, wohin ich gehe."
Sie wand sich, doch es gelang ihr nicht, sich aus dem Griff des anderen zu befreien. Sanft, aber bestimmt, zog er sie vom Eingang des Schlafstocks weg. „Komm jetzt. Es geht um deine Gesundheit."
Ein Kloß steckte in meiner Kehle. Ich mußte es mit ansehen und konnte nichts tun. Bevor sie aus meinem Blickfeld verschwand, drehte sie, wahrscheinlich unbewußt, noch einmal den Kopf und wandte mir das Gesicht zu...
Da packte mich namenloses Grauen. Ich mußte an mich halten, nicht laut aufzuschreien.
Um alles in der Welt! gellte es in mir. Das Auge...!
Ich meinte, mir müsse das Blut gefrieren. Entsetzt krallte ich die Finger in das Belüftungsgitter, zitterte am ganzen Leib.
Farslyinas Auge...
Dieses einst so grüne, gutmütig und geduldig blickende Auge, über das sich allmählich graue Schatten schoben...
Jetzt war es blind und weiß.
*
Der Schock saß tief.
Mechanisch schob ich einen Fuß vor den anderen, tappte wie benommen durch den Belüftungsschacht. Er verlief horizontal und war breit und hoch genug, mir sogar eine aufrechte Gangart zu gestatten. Vor mir tanzte der Lichtkegel meiner Handlampe. Ich hielt mich geradeaus, wie Farslyina es mir aufgetragen hatte, aber ich tat es, ohne zu denken. Mein Gehirn war leer. Der kühle Luftzug, der mich umspielte, konnte den inneren Schmerz nicht lindern.
Fast wie in Trance passierte ich den Verteilerknoten, kletterte durch ein Stützgestänge, über stillstehende Rotoren, Strömungsklappen und Zirkulationsventile. Im nachhinein muß man es wohl als Wunder bezeichnen, daß ich trotz meines Zustands nicht abstürzte oder die Richtung verfehlte. Andere Bereiche der Boje, selbst die Schlafstöcke, waren überall und jederzeit hell beleuchtet. Hier, wo normalerweise kein lebendes Wesen etwas zu suchen hatte, herrschte Dunkelheit. Ich war nur auf den Lichtstrahl meiner Lampe angewiesen, aber ich bewältigte das Hindernis wie eine exakt programmierte Maschine.
Noch immer nicht wieder ich selbst, setzte ich auf der anderen Seite den Weg fort. Das Grauen ließ mich nicht los. Ein ums andere Mal drängte sich in meinen verwirrten Geist Farslyinas schrecklicher Anblick.
Daß ich nicht wußte, was eigentlich geschehen war, machte das Entsetzen wahrscheinlich erst so groß. Nie würde ich Klarheit darüber gewinnen, ob der Rückgang ihrer seltsamen Unantastbarkeit mit der Veränderung des Sehorgans tatsächlich in einem kausalen Zusammenhang stand. Nie würde ich begreifen, was die geisterhafte Verfärbung des Auges überhaupt bedeutete. Und nie würde ich erfahren, ob sie vielleicht wirklich krank war und ärztliche Hilfe benötigte, oder ob die Kolkoks, wie ich annahm, ihr auf die Schliche gekommen waren.
Welches Schicksal wartete auf Farslyina? Die Frage beschäftigte mich lange, und doch konnte ich nur Spekulationen darüber anstellen. Ich würde ihr nicht wieder begegnen. Für immer verloren ... als wäre sie tot...
Erst als vor mir heller Lichtschein in den Schacht fiel, gelang es mir einigermaßen, meine Gedanken zu ordnen. Dort mußte der Ausstieg in den Maschinensaal zu finden -sein, der mich in Bereiche führte, wo ich jederzeit einem Kolkok begegnen konnte. Von da an würde ich wieder auf der Hut sein müssen und durfte in meiner Aufmerksamkeit nicht mehr nachlassen. Es half
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