1104 - Die Spur des irren Köpfers
sind. Doch selbst die Erwachsenen gingen nicht hin. Da sind wir dann schon vorsichtig gewesen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wußte bis heute nicht, daß meine Mutter so gut informiert gewesen ist. Aber man lernt ja eben niemals richtig aus.«
Wir gingen wieder nach unten, und schon bald umfing uns der Trubel der Gaststätte.
»Noch einen Schluck auf den Schreck?«
Wir lehnten ab. »Aber Sie können uns den Weg zu dieser Ranch beschreiben«, bat ich.
Jim Lane erschrak. »Verdammt, Sie wollen los?«
»Ja.«
»Bei diesem Sturm?«
»Ist kein Hurrikan.«
»Nein, das nicht, aber der Wind weht Sie von den Füßen. Außerdem ist es dunkel. Sie werden so gut wie nichts finden können. Es ist besser, wenn Sie morgen aufbrechen.«
»Nein!« sagte auch Abe. »Wir haben genug Zeit verloren. Außerdem müssen wir bald einen Erfolg aufweisen, sonst wird uns der Fall entzogen. Das kommt noch hinzu.«
»Wie sähe das denn aus?«
»Dann käme es zu einem Großeinsatz. Hier würde es überall von Polizei wimmeln.«
Er zuckte mit den Schultern. »Das ist Ihr Bier. Einen Vorteil haben Sie schon. Sehr weit ist es nicht. Etwas mehr als zehn Meilen, aber es gibt keine Straße, die zur Ranch führt. Als sie noch bewirtschaftet wurde, hat es einen Privatweg gegeben, doch der ist längst nicht mehr befahrbar.«
»Macht nichts.«
Jim Lane verschwand mit Abe Douglas in einer Ecke, in der es ruhiger war. Die Raststätte war mittlerweile zu einer Oase für Sturm-Flüchtlinge geworden. Zwar war sie nicht bis auf den letzten Platz gefüllt, aber viel fehlte da nicht.
Auch an der Theke drängten sich die Gäste. Jetzt waren auch mehr Frauen da. Von der Mutter mit Kindern, bis hin zu Wesen, die man schon als Trucker-Groupies ansehen konnte. So mancher Fahrer schmückte sich mit ihnen. Die Frauen waren jung und sahen dabei alle so herrlich perfekt aus, wie aus einem Hochglanz-Magazin entstiegen.
Jedenfalls hatten sie ihren Spaß. Vom Grauen, das die Taten des Köpfers verbreitete, war hier nichts zu spüren. Und auch der Sturm kümmerte kaum jemand.
Abe Douglas kehrte zu mir zurück. »Alles klar, ich habe die Wegbeschreibung bekommen.«
Jim Lane brachte uns noch bis zu Tür und sprach davon, daß wir den Sturm auf keinen Fall unterschätzen sollten. »Es gibt manchmal Böen, die können Sie von der Straße in den Graben fegen. Und achten Sie auch auf herumfliegende Baumteile. Äste, Zweige. Manchmal werden Holzbohlen abgerissen und über das Land gefegt…«
»Okay, wir schaffen das.«
Wenig später waren wir draußen - und mußten merken, daß uns der Wirt nicht zuviel prophezeit hatte. Der Sturm fegte über den Parkplatz hinweg wie ein unsichtbares Untier, das alles, was nicht schwer und fest genug aussah, wegfegte. Selbst in Mülltonnen hatten die Hände hineingegriffen und das Zeug hervorgeholt, das jetzt über den Parkplatz wehte, bis es von einem Hindernis aufgehalten wurde.
Beide kämpften wir uns durch, bis wir den Chrysler erreicht hatten. Es war schwer, etwas zu sehen.
Zum Staub und dem feinen Sand kam noch die Dunkelheit. Wenn wir uns unterhalten wollten, mußten wir uns gegenseitig anschreien.
Endlich saßen wir im Fahrzeug. Abe wollte lenken. Zuvor schüttelte er den Kopf. »Wenn ich mir diesen Sturm so anschaue, dann kann ich mir vorstellen, daß diese alte Ranch nur aus Trümmern besteht.«
»Irrtum. Sie hat schon mehrere Stürme überstanden. Bestünde sie aus Trümmern, hätte man uns das gesagt.«
»Ja, stimmt auch wieder.«
Abe Douglas fuhr langsam. Obwohl der Sturm uns nicht direkt erwischte, saßen wir beide geduckt und angespannt auf unseren Plätzen. Das Licht der Scheinwerfer wurde vom Staub und Sand gefressen wie in meiner Heimat oft vom dichten Themsenebel.
Aber wir hatten die erste Spur. Und ich glaubte fast daran, daß es der irre Köpfer jetzt nicht mehr so leicht haben würde…
***
Abe Douglas hatte auf der Fahrt mehrmals von einer Reise in die Hölle gesprochen, und da hatte er nicht übertrieben, auch wenn es sich hierbei um eine bestimmte Hölle handelte. Es war kein Fahren, es war für uns mehr ein Tasten durch eine Welt, in der praktisch alles zugeschüttet worden war.
Der Sturm schien Wüstenabschnitte und Staubbecken in die Höhe gewirbelt zu haben, und der rollte beides zu einem Chaos zusammen. Die Straße war so gut wie nicht zu sehen. Nur ab und zu tauchte sie auf, wenn der Sturm eine kurze Pause einlegte.
Bisher war uns kein Fahrzeug entgegengekommen. Bei diesen
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