1104 - Die Spur des irren Köpfers
ihr einen Toten jagen?«
»Es sieht so aus, Mrs. Lane«, sagte ich.
Sie winkte mit beiden Händen ab. »Fast hätte ich gelacht, aber ich tue es nicht, denn ich bin froh, daß es Polizisten gibt, die beim Denken noch andere Wege gehen. Nicht wie unser County Sheriff, dieser arrogante Idiot.«
Jim Lane lächelte uns entschuldigend an. »Mutter, dieser Truman Dobbs ist tot. Er kann nicht der irre Köpfer sein. So etwas gibt es einfach nicht.«
Sie hob einen Zeigefinger an. »Du wirst dich noch wundern, mein Junge. Wenn ich dich höre, dann höre ich auch deinen Vater. Er hat auch nur immer das geglaubt, was er gesehen hat. Aber es gibt Dinge, die uns umgeben, die wir trotzdem nicht sehen. Auf Dobbs' Ranch ist einfach zuviel Böses geschehen. Und Böses geschieht immer auf der Welt. Schau nur nach Europa, wo sich die Menschen gegenseitig ausrotten wollen, weil das Böse über Jahrhunderte hinweg die Feindschaft zwischen sie gesät hat. Es ist immer da. Als das Massaker von Waco stattfand, hat auch zunächst niemand geglaubt, daß es so etwas geben könnte. Aber es ist passiert. Das Böse kriecht versteckt durch die Welt und ist auf der Suche nach anfälligen Menschen. Davon gibt es genug. Das hat es früher gegeben, das ist heute nicht anders. Ich sage dir, daß Dobbs sehr böse gewesen ist. Er war das Grauen schlechthin. Du brauchtest nur in seine Augen zu schauen, dann hast du Bescheid gewußt. Ich bin ihm immer aus dem Weg gegangen, weil ich wußte, daß er nichts Gutes für mich bedeutet.«
»Kannte Ihr Mann diesen Dobbs auch?« fragte ich.
»Ja!«
»Besser als Sie?«
»Er war bestimmt nicht sein Freund, wenn Sie das meinen. Aber sie haben schon miteinander geredet, und ich weiß auch, daß Dobbs einen schlechten Einfluß auf deinen Vater gehabt hätte, aber dem bin ich zuvor gekommen.« Sie sprach jetzt ihren Sohn an. »Dein Vater und Dobbs mochten sich nicht. Er ist auch nur ein- oder zweimal bei uns im Lokal gewesen. Er merkte sehr schnell, daß er nicht willkommen war. Danach hat er sich auch gerichtet.«
»Aber Mutter!« rief Jim Lane, »kann ein Toter denn zurückkehren? Ist das möglich?«
»Ja, er kann es!« Sie hatte es mit einer Bestimmtheit gesagt, als hätte sie so etwas schon mal erlebt.
»Ich bin davon nicht überzeugt, Mutter.«
»Bete, daß er dir nicht mal über den Weg läuft. Er ist sehr, sehr grausam. Ich weiß, daß auf seiner Ranch der Satan angebetet worden ist. Und dort ist auch noch etwas zurückgeblieben, kann ich euch allen sagen. Niemand traut sich freiwillig auf das Gelände mit seinen halb zerfallenen Bauten. Das weißt du ebenso wie ich. Der Atem des Bösen weht dort. Dort trifft die Hölle auf unsere Welt. Mehr kann ich euch nicht sagen. Ich bin auch müde, obwohl ich weiß, daß ich nicht schlafen kann wegen des verdammten Sturms.« Sie schaute zur Decke und knetete dabei die Hände. »Hört ihr, wie er heult und jammert? Das ist nicht nur der Wind. Das sind die Seelen der Gerechten, die dieser Unhold getötet hat. So müßt ihr das sehen. Die jammernden Seelen der Gerechten.« Sie beendete ihre Worte mit einem kräftigen Nicken. Für sie war unser Besuch damit beendet.
Wir verabschiedeten uns, bedankten uns, und Jim Lane fragte, wann sich seine Mutter hinlegen wollte.
»In dieser Nacht vielleicht gar nicht. Ich werde in meinem Rollstuhl sitzenbleiben, dem Sturm lauschen und an den verdammten Köpfer denken. Aber ich werde auch dafür beten, daß er keinen Menschen mehr köpft. Er muß vernichtet werden.«
Abe und ich hatten die Worte kaum gehört, denn wir waren schon in den kleinen Flur gegangen.
»Ist das eine Spur?« fragte Abe lächelnd.
»Du denkst an die Ranch?«
»Woran sonst?«
»Ich glaube schon, daß wir sie uns ansehen sollten.«
»Wann?«
»Noch an diesem Abend.«
Jim Lane hatte die letzten Gesprächsfetzen gehört. »Sie wollen tatsächlich zu Dobbs alter Ranch?«
»Was würden Sie denn tun?« fragte Abe.
»Das… das… weiß ich auch nicht genau, aber sie ist völlig verlassen.«
»Waren Sie schon mal dort?«
Lane trat einen Schritt zurück und hob die Arme. »Gott behüte. So etwas tue ich mir nicht an.«
Der G-man grinste breit. »Dann sind Sie demnach auch davon überzeugt, daß es auf dem Gelände nicht mit rechten Dingen zugeht - oder?«
Der Wirt druckste herum. »So können Sie das auch nicht sagen. Ich bin damit groß geworden, daß man dort eben nichts zu suchen hat. Daran habe ich mich als Kind gehalten, obwohl Kinder ja neugierig
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